Grappa 10 - Zu bunt für Grappa
mit offenem, geblümtem Hemd und Panamahut vor einer Flasche Wein, die auf einem Bistrotisch des Café de nuit in Arles stand. Rechts von ihm eine Frau und links ein Mann – alle beide bestens drauf und in Ferienlaune.
»Das sein gute Freunde von Eugen«, radebrechte Francine. »Theodor und ... comment s'appelait-elle? ... Isadore.«
Ich fragte lieber nicht nach, ob sie wusste, dass die bei-den tot waren, sondern beschränkte mich auf die geschäftlichen Beziehungen.
Francine plapperte freimütig drauf los. Sie habe Kolatschke und seine Lebensgefährtin vor drei Jahren bei ihrem früheren Arbeitgeber, dem Notar in Apt, kennen gelernt.
»Eugen at sie mitgebracht. Sie aben einige Äuser gekauft et quelques maisons provençales .«
Mehr wusste Francine leider nicht. Immerhin hatte ich erfahren, dass es eine Verbindung zwischen Kolatschke und Stenzel gegeben hatte – und dass Antonio Cortez über beide bestens informiert war.
Ich verabschiedete mich, nahm den Weg zum Parkhaus, in dem mein Auto stand. Ich schlenderte durch die Straßen, an Reklameschildern und Plakatwänden vorbei.
Ich dachte an Arles und das berühmte Café, das durch den niederländischen Maler Vincent van Gogh weltberühmt geworden war. Sein Gemälde hieß Nachts vor dem Café an der Place du Forum in Arles . Unter einem blauen Sternenhimmel die hell erleuchtete Caféterrasse. Der Blick des Betrachters wird in eine schwarze Mitte gesogen, vor der die helle Atmosphäre des Cafés noch anheimelnder wirkt. Die hellen Sterne im nachtblauen Himmel scheinen zu rotieren, die wenigen Spaziergänger auf der grob gepflasterten Straße zu zögern, ob sie nach Hause gehen oder sich ins Café setzen sollen. Aber das Schönste an diesem Meisterwerk ist das Gelb – jene Farbe, die nur in der Provence so innig leuchten kann.
Jetzt, da ich das Meer hier gesehen habe, fühle ich ganz, wie wichtig es ist, im Süden zu bleiben und zu spüren, dass man die Farbe bis zum Alleräußersten treiben muss – es ist nicht mehr weit bis Afrika.
Salz auf den Lippen
Als ich am Flughafen in Marseille mein Gepäck abgeholt hatte und auf dem Weg nach draußen war, sah ich eine Frau mit einem Schild, auf dem mein Name stand. Ich stutzte, sie bemerkte es und steuerte auf mich zu.
»Ich habe Sie schon erwartet«, teilte sie mir mit. »Sie können Ihren Wagen sofort übernehmen.«
Ich hatte zwar noch keinen Mietwagen gebucht, aber ich wunderte mich nicht weiter. Mal sehen, was noch kommt, dachte ich.
Der Wagen entpuppte sich als Golf-Cabriolet – er war bereits bezahlt worden.
»Wer hat die Rechnung übernommen?«, fragte ich.
Die Frau blätterte in den Papieren. »Monsieur Cortez«, stellte sie fest. »Für vier Wochen – aber Sie können verlängern. Anruf genügt.«
Ich nahm die Schlüssel, ließ mir den Weg zum Parkplatz beschreiben.
Als ich hinter dem Steuer Platz genommen hatte, entdeckte ich die nächste Überraschung. Auf dem Beifahrersitz lag ein Umschlag, daneben eine kleine Sonnenblume. Ich öffnete das Couvert. Er enthielt die Kopie eines Mietvertrages über ein Ferienhaus in Saignon, die Wegbeschreibung dorthin, einen Schlüssel und eine Straßenkarte. Guter Service, Cortez, dachte ich. Er schien ein großes Interesse zu haben, dass ich mich in die Geschichte einmischte. Darüber, dass er mich nur einfach wieder sehen wollte, machte ich mir keine Illusionen.
Ich startete. Eigentlich führte mein Weg landeinwärts Richtung Aix-en-Provence – doch ich wollte das Meer sehen und beschloss, einen Umweg zu machen. Hinter Marseille nahm ich die Straße nach Cassis. Sie führte direkt durch die Calanques, ein zerklüftetes Kalkstein-Massiv, das an manchen Stellen steil ins blaue Mittelmeer abfiel. Die Hitze des Sommers, die Erosionen – hervorgerufen durch den Mistral – hatten schroffe Felsen geschaffen, die sich unnahbar gebärdeten.
Ich genoss die Wärme, das Licht, die Farben, den Geruch des Meeres und den Geschmack von Salz auf meinen Lippen. In der Bucht von Cassis trank ich einen großen Kaffee und nahm dann den Weg landeinwärts – nach Norden Richtung Aubagne.
Es war schon dunkel, als ich in Saignon ankam. Im Dorf erkundigte ich mich nach dem Haus – es lag am Rande des Ortes und war nur über einen schmalen Weg erreichbar. Er war so eng, dass ich Schwierigkeiten hatte, den Wagen durchzulenken – immer rechts und links zu den halbhohen Natursteinmauern schauend. Ein Igel kreuzte meinen Weg und entkam dem Unfalltod, weil er sich schneller
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