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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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seinen Augen. »Allons-y!«
    Der Braune zog mich die Stufen hinab.
    »Ich gehe allein«, rief ich Thaler zu. »Bereiten Sie schon mal das Abendessen vor. Es sind noch genug Sachen im Kühlschrank.«
    Zielstrebig trabte der Hund ins Dorf hinauf, ließ den Platz und die Kirche rechts liegen und zog weiter zum Felsen – dort, wo ich ihn zum ersten Mal vor Wochen gesehen hatte. Wo wollte er hin? Die Häuser, die hier oben standen, waren ziemlich verfallen und schienen nicht mehr bewohnt zu sein.
    Kurz bevor der schmale Pfad in den Treppen endete, die auf das Felsplateau führten, bog der Braune links ab und stoppte. Wir standen vor einem verwinkelten Haus mit einer verwitterten Holztür, in deren Mitte ein mit einer Klappe verschließbares kleines Fenster eingearbeitet worden war. Der Hund hob die weiß gezackte Pfote, kratzte am Holz und bellte. Es war kein greller Laut, sondern ein tiefes, fast herzliches Geräusch. Es sagte mir, dass der Hund hier zu Hause war.
    Wir warteten. Ein Schlurfen war zu hören, der Hund wedelte mit dem Schwanz und trippelte vor Aufregung.
    »Mapucho«, krächzte eine Frauenstimme.
    Mein Herz klopfte.
    »Mon petit chien« , sagte die Stimme hinter der Tür.
    Der Hund winselte und drückte sich gegen das Holz.
    »Je viens, mon petit, attends!«
    Die Tür öffnete sich und in der Höhe meiner Schultern blickten mich zwei schwarze Augen an.
    »Bonjour, Madame« , begann ich.
    Sie öffnete die Tür ein bisschen weiter. Ihr Kopf war klein, die Haut hatte tiefe Furchen, das Haar war lang, weißgrau und üppig, es umrandete ihren Kopf wie ein überdimensionaler heller Heiligenschein. Nach Art der alten Französinnen waren ihre Lippen grellrot bemalt, auf den welken Lidern trug sie blauen Lidschatten. Die Augen waren jung, munter, intelligent und ohne Argwohn.
    »Entrez!« , sagte sie. Die Tür öffnete sich ganz. Der Hund war längst hineingelaufen, saß in einem winzigen Innenhof, der von hohen Natursteinmauern umsäumt war, neben einem eisernen Gartenstuhl, auf dem eine Siamkatze schlummerte.
    Jetzt habe ich das Foto komplett, dachte ich, sogar die Katze gibt es noch. Endlich war ich einen Schritt weiter in dieser Geschichte.

Als Maler werde ich nie irgendwie von Bedeutung sein, das spüre ich ganz entschieden. Nehmen wir mal an, alles wäre anders: Charakter, Erziehung, Umstände – dann hätte etwas herauskommen können. Aber wir sind zu nüchtern, um uns etwas vorzumachen.
    Leidenschaft und Strafe
    In der nächsten Stunde lernte ich, dass es im Leben nicht wirklich auf Reichtum, Erfolg und Anerkennung ankommt, sondern dass das wahre Glück nur in der Leidenschaft für etwas und der Liebe zu jemandem zu finden ist.
    Vincent, der Maler, war nicht glücklich gewesen. Er kannte die Leidenschaft in allen Abstufungen, hat sie in seinen Bildern ausgelebt, mit ihr gekämpft, mit ihr gehadert und sie manchmal verflucht. Doch zerbrochen ist er am Mangel an Liebe.
    Sie hieß Rosalie Marengo, war weit über siebzig, lebte seit fast dreißig Jahren in Saignon. Sie war mit ihrem Mann, einem Architekten, vor dem faschistischen Regime in Argentinien nach Paris geflüchtet und irgendwann hatten beide die Provence besucht, waren in dem kleinen Saignon gelandet.
    »Plötzlich fanden wir am Rand des Dorfes einen Haufen alter Steine«, erzählte sie in hartem Französisch mit spanischem Akzent. »Aldo ahnte sofort, dass sich unter dem Schutt ein Gebäude verbirgt. Wir kauften das Gelände für 500 Francs und buddelten los.«
    In den folgenden Jahren legte das Paar mittelalterliche Kellergewölbe frei, die unterirdisch zu dem Haus am Felsen führten. Es entstanden in jahrzehntelanger Arbeit ein verwinkeltes Haus mit unzähligen Räumen, manche unter der Erde, andere am Felsabsturz, und mehrere offene Terrassen.
    Rosalie führte mich durch ihr Heim. Die Räume waren kühl, die Wände und Fußböden aus Kalksteinen gemauert, die Decken nicht plan, sondern Tonnen- und Kreuzgewölbe.
    »Das ist mein Atelier«, sagte Rosalie stolz. Skurrile Holzskulpturen in Menschengröße standen wie vergessene Besucher in einem runden Raum.
    »Die haben Sie gemacht?« Ich konnte nicht glauben, dass diese zarte, höchstens einssechzig Meter große Frau so viel schweres Holz bewegen konnte.
    »Gefallen sie Ihnen?«
    »Sie sind wunderbar«, schwärmte ich. »Voller Kraft und ... auch voller Schönheit.«
    Sie lächelte zufrieden und lud mich zum Kaffee ein. Sie führte mich in die Küche, die eine Kombination aus moderner Technik und

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