Grappa 10 - Zu bunt für Grappa
bäuerlicher Tradition war. Es gab natürlich Elektrizität, eine Kaffeemaschine, einen Backofen mit Herd und sogar eine Mikrowelle.
»Das hat mein Sohn alles so gemacht«, erklärte sie.
»Sie haben einen Sohn?« Als ob ich das nicht geahnt hätte!
»Er ist auch Künstler.«
Rosalie schüttete den Kaffee in zwei Becher. Die Siamkatze sprang auf den Küchentisch. »Alors, va-t'en!«
Ich schaute mich um. Von der Küche aus ging es ein paar Stufen tiefer in den Hauptraum. Die Einrichtung war geschmackvoll – Möbelklassiker von zeitgenössischer Raffinesse. An den Wänden Bilder, in den Ecken Skulpturen, gemauerte Nischen mit schweren Kissen, eine Stereoanlage, chinesisches Porzellan auf den gemauerten Vorsprüngen, hier und da ein wertvoller kaukasischer Teppich – sogar afrikanische Kunst fand ich: Goldgewichte der Ashanti und ein Nagelfetisch N'kondi aus dem Kongo.
»Sie haben wertvolle Sachen in Ihrem Haus«, bemerkte ich.
»Ich weiß«, sagte Rosalie. Sie hatte sich in einen großen Sessel gekauert, in dem sie noch zerbrechlicher wirkte. »Manchmal kommen Touristen und nehmen Sachen mit.«
»Sie nehmen Sachen mit?« Ich verstand nicht gleich.
»Mein Sohn ist dann sehr böse. Er hat mir verboten, Leute ins Haus zu lassen. Sie nehmen nichts mit, oder?«
»Nein«, versprach ich. »Warum sollte ich das tun? Ich bin keine Diebin.«
Ich wollte sie gerade nach ihrem Sohn fragen, als das Handy klingelte: Cortez.
»Bist du gut nach Saignon zurückgekommen?«
»Dank deiner Hilfe schon. Jetzt sitze ich gerade bei deiner Mutter und trinke Kaffee. Möchtest du sie sprechen?«
»Ja.« Er schien nicht die Spur überrascht zu sein.
Ich reichte das Handy an Rosalie weiter. Sie hatte ein solches Teil wohl noch nie in der Hand gehabt, ich zeigte ihr, wo sie hineinsprechen musste. Die beiden unterhielten sich eine Weile auf Spanisch.
»Tenez, il veut vous parler.«
Ich horchte.
»Sag deinem Kollegen nicht, dass du Mutter gefunden hast. Versprichst du mir das?«
»Ja. Aber es wird Zeit, dass du mir endlich reinen Wein einschenkst. Ich bin es leid, alles selbst herauszufinden. Ist das Bild bei deiner Mutter?«
»Nicht mehr. Ich habe es natürlich in Sicherheit gebracht. Aber es gehört ihr und ich lasse nicht zu, dass es ihr jemand wegnimmt.«
»Das verstehe ich nur zu gut. Wann sehe ich dich wieder?«
»Früher, als du denkst.«
Ich trank den Kaffee aus und verabschiedete mich. An der Tür fiel mir doch noch eine Frage ein. »Wer waren die Leute, die Sachen aus Ihrem Haus weggenommen haben?«
Rosalie überlegte. »Ein Mann aus Deutschland und seine Frau«, sagte sie dann. »Tonio hat Recht gehabt.«
»Womit?«
»Dass sie dafür bestraft werden. Beide sind nämlich tot.« Rosalie kicherte, streichelte Mapucho und schloss die Tür hinter mir.
Ich will nur irgendwas tun, irgendwo sein, es muss wieder gut werden, ich werde wieder obenauf kommen, ich will Geduld haben, bis es wieder gut wird ...
Deutsche Touristin gesucht
Den Rest des Abends war ich für meine Verhältnisse sehr schweigsam. Dafür plapperte Thaler, was das Zeug hielt. Er wollte wissen, wohin mich der Hund geführt hatte. Ich erzählte irgendeine Lüge; dass er sich losgerissen habe und spurlos verschwunden sei. Mehr war nicht aus mir herauszukriegen.
Maulend wählte Thaler den Fernseher als Begleiter für die letzten Stunden des Tages. Der Fernsehsprecher plärrte aufgeregt durch die laue Nacht.
Ich saß derweil noch draußen am Tisch und versuchte, Sternbilder zu erkennen. Dazu gönnte ich mir den obligatorischen Côte du Lubéron, ein bisschen Baguette, Käse und Oliven.
Die Geschichte war ziemlich verworren. Mir schien, dass Kolatschke den Van-Gogh bei Rosalie Marengo zufällig entdeckt hatte – bei einem seiner perfiden Raubzüge im Haus der alten Frau. Wahrscheinlich hatte er zusammen mit Stenzel einen Plan entwickelt, das Bild zu stehlen, um es meistbietend zu verkaufen. Vielleicht hatten beide es ja schon mal gestohlen und Cortez hatte es sich zurückgeholt? Doch dann musste Antonio der Mörder von Stenzel sein und hatte vielleicht auch Kolatschke und seine Frau auf dem Gewissen.
Die Nervensäge namens Thaler riss mich aus meinen Kombinationsversuchen.
»Da gab es heute Mittag ein Attentat in Arles«, berichtete er aufgeregt. »Im Café de nuit . Ein Mann hat auf die Gäste geschossen. Zum Glück wurde niemand verletzt.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Ich war dort, als es passierte.«
»Warum haben Sie nichts davon erzählt?«,
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