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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Küche aus in den Garten.
    »Wir wollten einen Fälscher entlarven, erinnern Sie sich?« Thaler war nicht zu stoppen. »Ich investiere meine Zeit nicht in das larmoyante Gejammer eines alten Mannes.«
    »Haben Sie denn überhaupt kein Herz?« Ich stand wieder am Tisch und reichte Sterner das Getränk. »Dieser Mann hier steht kurz vor einem Herzinfarkt. Verbuddeln Sie seine Leiche im Garten, wenn er den Löffel abgibt?«
    Die Aussicht auf körperliche Arbeit ließ Thaler sofort ein bisschen ruhiger werden.
    »Auf Vincent!« Sterner hob das Glas und ließ einen dramatischen Blick über die Berge des Lubéron schweifen. Dann kippte der nebenberufliche Porträtmaler den Calvados in fast einem Zug hinunter, schüttelte sich wie ein nasser Hund und krähte nach einem weiteren Getränk.
    »Oh, Vincent! Würdest du doch unter uns weilen!«, rief er mit großer Gebärde aus.
    »Sehen Sie!« Ich deutete auf den noch immer völlig beeindruckten Maler. »Er hat den Hauch der Geschichte gespürt.«
    »Sentimentaler Opa! Mir langt's. Ich gehe auf mein Zimmer.« Thaler drehte ab und ließ uns stehen.
    »Noch einen!«, bettelte Sterner. »Ich will noch einen!«
    Ich tippte messerscharf, dass er den Calvados meinte, und holte Nachschub.
    »Ich muss dieses Bild sehen!«, jammerte Sterner. »Bitte, Frau Grappa, sagen Sie mir, wo es ist. Bringen Sie mich hin, meinetwegen mit verbundenen Augen ...«
    »Beruhigen Sie sich. Trinken Sie erst mal was.«
    Sterner widersprach nicht. Ich schob ihn zum Stuhl, damit er sich setzen konnte.
    »Und jetzt sagen Sie mir, warum Sie glauben, einen echten Vincent-van-Gogh vor sich zu haben«, forderte ich ihn auf und hielt ihm ein Foto vor die Nase. »Nur Ihr Bauch als Beweis ist ja wohl wirklich ein bisschen wenig. Da hat Thaler ausnahmsweise mal Recht.«
    Sterners Hände waren wieder ruhig, als er nach dem gefüllten Glas griff. Ich hatte mir einen Kaffee mitgebracht.
    »Es ist der Geist, der über dem Bild schwebt.«
    »Wo schwebt was?« Ich betrachtete das Foto.
    »Vincent war ein Maler, der die Natur tief verehrt hat und damit auch den Menschen, der mit dieser Natur und von ihr lebt. Das Sujet ist also typisch für ihn. Der Bauer, der von der Erde und ihren Produkten abhängig ist. Natur zwischen Bändigung und Wildheit. So hat nur van Gogh es darstellen können.«
    »Ein Beweis für eine Fälschung«, wandte ich ein. »Je typischer, je falscher.«
    »Es ist nicht so perfekt, wie Sie vielleicht glauben.«
    Der Alkohol zeigte Wirkung, Sterners Zunge lag schwer im Mund.
    »Etwas stört«, sagte er und deutete auf die Kirche am Horizont. »Ich habe so viele Van-Gogh-Bilder begutachtet, dass ich weiß, dass Vincent die Kirche so nicht ins Bild gesetzt hätte.«
    »Also ist das Bild doch falsch?«
    »Nein – ganz im Gegenteil. Fälscher hätten einen solchen Fehler nicht riskiert. Der Umkehrschluss ist also?«
    »Dass nur Vincent selbst den angeblichen Fehler gemacht haben kann«, sagte ich. »Was aber, wenn der Fälscher diesen Gedanken auch gehabt hat?«
    »Nicht schlecht, Frau Grappa«, stellte Sterner fest. »Für eine Frau denken Sie ziemlich logisch.«
    Thalers verbale Unarten hatten offenbar auf Sterner abgefärbt. Männern muss irgendwas im Gehirn fehlen, das sie daran hindert, Frauen ernst zu nehmen, sinnierte ich.
    »Es kommt aber noch einiges andere hinzu«, dozierte Sterner weiter. »Die gewisse Fahrigkeit und Unkonzentriertheit im Pinselstrich deutet darauf hin, dass dieses Bild ein spätes Werk des Malers ist. Immerhin war Vincent bis zu seinem Tod in einem sehr schlechten Gesundheitszustand. Er hatte Kreislaufbeschwerden, einen Lungenschaden und immer wieder Anfälle von Depressionen und Wahnsinn. Er war verrückt, aber körperlich zumindest so fit, dass er jeden Tag zwei bis drei Bilder malen konnte.«
    »Wenn es ein spätes Bild ist, dann muss sich das Melonenfeld in der Nähe seines letzten Aufenthaltsortes befinden«, warf ich ein. »Und der war hier ganz in der Nähe. In Saint-Rémy. Wir suchen das Melonenfeld. Vielleicht ist es ja heute noch zu finden.«
    »Und wie wollen Sie das machen?«
    Thaler stand plötzlich hinter uns. Er hatte seinen Schmollwinkel verlassen und sich wieder zu uns gesellt.
    »Wir müssen die Einheimischen fragen«, schlug ich vor. »Bester Anhaltspunkt ist die romanische Kirche – hier links oben im Bild.«
    Ich hob das Foto in die Höhe und fuhr fort: »Wir fahren nach Cavaillon. Dort gibt es ein berühmtes Melonenrestaurant. Ich hab's in einem

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