Grappa 10 - Zu bunt für Grappa
selbst ansprechen, weil keine Rückschlüsse auf ihn gezogen werden sollten.
»Auf keinen Fall darf der Aufenthaltsort des Bildes bekannt werden«, schärfte er mir ein. »Sonst haben wir alle Diebe dieser Welt an den Fersen.«
»Hast du mal überlegt, das Bild zu verkaufen?«, wollte ich wissen.
»Natürlich nicht. Ich will nur, dass es in die Kunstgeschichte eingeht.«
»Du könntest aber viel Geld damit verdienen«, ließ ich nicht locker. »Denk doch mal an Vincents Sonnenblumen. Sie sind für 72 Millionen Mark nach Japan versteigert worden.«
»Geld lässt mich kalt. C'est la vérité! «
»Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der nicht geldgierig ist. Wie kommt das?«
»Du kennst eben die falschen Leute«, lachte er. »Ich habe genug Geld, um mir das zu leisten, was ich haben will. Ist das Verhör jetzt beendet?«
Ich nickte.
»Können wir zum wirklich Wesentlichen kommen?«
Ich nickte wieder. Und wartete.
Er nahm mich in die Arme und sein Gesicht näherte sich meinem.
Ich schaute ihn mit großen Augen an.
»Ich glaube nicht, dass du mir widerstehen kannst«, flüsterte er.
»Verdammter Macho!« Ich küsste ihn.
»Und was geschieht jetzt?«, wollte er wissen.
»Ab ins Bett! Es ist ja nur ein bisschen Sex zwischen zwei erwachsenen Menschen – nichts weiter.«
»Keine Gefühle?«
»Nicht die Spur von Gefühl«, behauptete ich cool, während mein Herz heftig zu schlagen begann. »Nur die pure Lust.«
Doch es ist schon etwas, wenn man sich von dem Falschen und Schlechten seiner Zeit nicht täuschen lässt und das ungesunde Dumpfe und Gedrückte der Stunden vor dem Gewitter darin spürt.
Ein 100-Mio-Angebot
Spät in der Nacht kehrte ich nach Saignon zurück, in der Tasche den Umschlag mit den Fotos, die ich unbedingt vor Boris Thaler verstecken musste. Ich wollte in mein Zimmer schleichen, doch ich war nicht leise genug, denn Thaler stand im Flur und versperrte mir den Weg.
»Wo waren Sie den ganzen Tag?«, herrschte er mich an.
»Recherche«, meinte ich knapp.
»Was für eine Recherche?«
»Unsere heiße Story. Es geht um eine internationale Kunstmafia, die ein Bild stehlen will. Schon vergessen?«
»Natürlich nicht.« Er machte keine Anstalten, mich vorbei zulassen.
»Darf ich mal?« Ich schubste ihn unsanft zur Seite.
»Erzählen Sie!«, forderte er.
»Morgen früh«, gähnte ich. »Ich bin todmüde und muss dringend ins Bett. Gute Nacht.«
»Sie haben sich mit Cortez getroffen«, behauptete er. »So also sieht unsere Zusammenarbeit aus?«
»Bleiben Sie ganz cool, mein lieber junger Freund«, meinte ich von oben herab. Meine Stimme war übermüdet. »Außer nicht nachweisbaren Beschuldigungen gegen Cortez haben Sie noch nicht viel zu unserer Story beigetragen.«
»Waren Sie mit Cortez zusammen, oder nicht?«
»Ich habe ihn gesehen«, gab ich zu.
»Hat er Sie bedroht?«
»Ich konnte ihm gerade noch entkommen.«
»Hatte er eine Waffe?«
»Die Waffe, die ich brauchte, hatte er jedenfalls«, kicherte ich albern und stieg die Stufen zu meinem Zimmer hinauf.
Oben angelangt, beschäftigte mich eine Frage: Wo sollte ich die Fotos verstecken?
Mein Blick fiel auf den fast leeren Koffer. Er enthielt nur Socken und ein bisschen schmutzige Wäsche. Ich legte den Umschlag unten auf den Boden und drapierte Textilien darüber.
Ich fiel ins Bett. In dieser Nacht schlief ich traumlos und tief.
Als ich aufwachte, hörte ich Thaler in der Küche herumwuseln. Ich duschte, machte mich fertig, ging nach draußen und setzte mich an den Frühstückstisch.
Der Morgen machte der herrlichen Provence mal wieder alle Ehre: Die Luft war noch frisch, die Sonne wärmte und brannte noch nicht, auf den Blättern des Maulbeerbaumes glitzerten Reste vom Tau der Nacht.
Thaler trabte an, in der Hand ein Fensterleder. Er hatte die Scheiben seines Sportwagens von den Feuchtigkeitsspuren befreit. Er schien bester Laune zu sein – im Gegensatz zum gestrigen Abend.
»Wir bekommen heute Besuch«, kündigte er an.
»Ach ja? Und wer wird uns die Ehre geben?«
»Joe Sterner. Sie erinnern sich?«
Natürlich erinnerte ich mich an den Maler, der unbedingt mein Porträt in Öl und Essig pinseln wollte.
»Und warum gerade der?« Das passte mir nicht.
»Er will uns was über den Bauern im Melonenfeld erzählen.«
»So, so.« Erst mal abwarten, dachte ich, was da noch so kommt.
»Er hat mir damals den Tipp gegeben, dass es ein unbekanntes Van-Gogh-Bild gibt, hinter dem alle her sind und das noch nie jemand
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