Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden
ich.
Mir kam der Duft wieder in den Sinn. Ich steckte meine Nase in das Papier, schnupperte am Umschlag – da war nichts mehr. Was hatte ich gerochen? Parfum, Küchendüfte, Natur?
Ich ging ins Wohnzimmer. Es war besser, Peter Jansen über den Brief des Todsündenmörders zu unterrichten.
Ich wählte die Nummer meines Chefs, er war zu Hause. Ich berichtete ihm kurz, was geschehen war.
»Wir haben auch einen Brief bekommen«, erzählte er. »Mit dem Foto des letzten Opfers, dieser Monika Keller. Du warst schon weg, als er eintrudelte. Ich habe ihn hier. Willst du den Spruch hören?«
Natürlich wollte ich.
»Denn deine Pfeile sind in mich eingedrungen, und deine Hand hat sich auf mich herabgesenkt. Keine heile Stelle ist an meinem Fleisch wegen deiner Verwünschung, nichts Heiles an meinen Gebeinen wegen meiner Verfehlung. Denn meine Sünden wachsen mir über den Kopf, wie eine schwere Last sind sie zu schwer für mich. Es stinken, es eitern meine Wunden wegen meiner Torheit. Ich bin gekrümmt, sehr gebeugt; den ganzen Tag gehe ich trauernd einher. Denn voll Brand sind meine Lenden, und keine heile Stelle ist an meinem Fleisch«, zitierte Peter Jansen. »Der Mörder hat ihr die LUXURIA, die Wollust, zugeordnet, genau so, wie wir es vorausgesehen hatten.«
»Damit sind die sieben Todsünden komplett«, resümierte ich. »Und es gibt eine achte – extra für mich ausgedacht. Und wir haben nicht den geringsten Hinweis auf den Täter, nachdem feststeht, dass Luisa Daniel tot ist. Es ist zum Verzweifeln ...«
»Dafür habe ich erfahren, wer Monika Keller ist«, überraschte mich Jansen. »Sie war vor zwanzig Jahren eine Freundin von Marianna Daniel.«
»Woher weißt du das?«
»Von Oberstaatsanwalt Guardini«, klärte mich Jansen auf. »Es existiert eine Aussage von Monika Keller im Protokoll von damals. Sie war wohl kurz vor dem Brand im Haus, um ihre Freundin zu besuchen. Eine Stunde später war die Daniel dann tot – erschossen von ihrem Ehemann.«
»Schrecklich«, murmelte ich. »Aber was hat Monika Keller Böses getan? Wollust?«
»Vielleicht hatte sie eine Affäre mit dem Mann ihrer Freundin«, mutmaßte Jansen.
»Kann sein«, sagte ich, »obwohl die Erklärung zu einfach ist. War diese Keller verheiratet?«
»Keine Ahnung. Davon hat Guardini nichts gesagt. Ich habe aber die letzte Adresse, unter der sie gemeldet war. Fahr doch einfach mal morgen früh dort vorbei und rede mit den Nachbarn.«
Ich notierte mir die Anschrift.
»Grappa?«
»Ja?«
»Ich glaube nicht, dass du in Gefahr bist. Der Mörder braucht dich. Er will, dass die Verfehlungen von damals öffentlich gemacht werden ... und die Rolle hat er dir zugedacht. Er hat Intelligenz und Mühe in dieses Spiel gesteckt und will sich dafür in der Zeitung feiern lassen.«
»Das ist doch krank!«
»Sicher. Was dachtest du denn? Dass jemand, der sieben Menschen tötet, gesund im Kopf ist?«
Männer mit Macken
Es war Montag und Eberhard war heute Morgen reizend zu mir. Er duftete nach Wiesenkräutern und trug sein kaputtes Auge wie eine Auszeichnung vor sich her. Er saß neben dem Teller und schaute mir verträumt zu, wie ich mein Brötchen knusperte.
»Das Auge wird heilen«, sprach ich zu ihm. »Dann bist du wieder wie neu.«
Männer ohne Macken sind keine echten Männer, meinte er.
»Stimmt«, sagte ich. »Das Leben sollte schon Spuren in Gesichtern hinterlassen.«
Das Klingeln des Telefons störte die innige Zweisamkeit. Es war Georg Mahler. Mit dem hatte ich nicht mehr gerechnet.
»Was willst du?«, fragte ich unwirsch.
»Mich entschuldigen.«
»Okay.«
»Mehr hast du dazu nicht zu sagen?« Er war perplex.
»Ich verzeihe dir doch. Sonst noch was?«
»Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so kühl reagierst.«
»Womit hattest du gerechnet?«
»Dass du etwas entgegenkommender wärst.« Sein Ton war die reinste Anklage.
»Ich? Warum? Soll ich vor dir auf den Knien rutschen, weil du mich aus deiner Wohnung geworfen hast?«
»Maria, ich bitte dich!« Mahler klang angestrengt. »Ich kann Katzen nun mal nicht ausstehen und dieser Eberhard ist ein besonders impertinentes Exemplar. Du kannst unsere gerade angefangene Beziehung doch nicht aufgeben – nur wegen dieses stinkenden Etwas!«
»Du hast unseren Kontakt beendet«, erinnerte ich ihn. »Oder habe ich da was falsch verstanden?«
»Ich war erregt.«
»Sonst noch was?«, zickte ich.
»Ich habe dich überschätzt«, meinte Mahler mit einer Stimme, die ganz von oben herab
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