Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden
verließ den Raum.
»Hast du dir wenigstens die Hände gewaschen?«, nörgelte Mahler.
Ich tupfte das Jod auf die Wunden.
»Vorsicht!«, jammerte Mahler. »Das brennt ja wie Feuer. Nicht so fest!«
Ich verdrehte die Augen nach oben. »Sei nicht so verdammt wehleidig!« Heldenhaft überstand er meine Behandlung
»So. Jetzt braucht die Krankenschwester ein Glas Champagner«, sagte ich zufrieden über meine pflegende Tätigkeit.
Auch Mahler schien wieder friedlich zu sein. Wir betraten die Küche.
Eberhard saß auf dem Frühstückstisch und war gerade dabei, sich über den Rest der Leberpastete herzumachen.
»Es reicht! Ich schlag das Vieh tot!« Mahler stürzte zu der Küchenwand und nahm eine schwere Suppenkelle von einem Haken.
Eberhard sprang kreischend vom Tisch, als er Mahler mit erhobenem Mordwerkzeug auf sich zukommen sah. Dabei stieß er die Orangensaftkaraffe um, der Saft ergoss sich über sämtliche Köstlichkeiten.
Mahler wollte hinter dem Kater her, doch entschlossen stellte ich mich ihm in den Weg.
»Lass ihn in Ruhe!«, brüllte ich. »Der Kater hat wahrscheinlich großen Hunger nach dem weiten Weg!«
Mahler ließ die Suppenkelle sinken. »Du hast sie ja nicht alle! Mach doch ein Katzenasyl auf! Aber komm mir nicht mehr unter die Augen, solange dieses verdammte Vieh bei dir lebt!«
Brüderschaften
»Ich konnte nichts dafür«, entschuldigte sich der Rechtsanwalt am nächsten Tag. »Sie waren gerade eine Stunde weg, da passierte es.«
Yunus Aydin berichtete, wie Eberhard vom Balkon in die Tiefe gesprungen war und nicht mehr gesehen wurde. Da ich mein Handy ja nach Guardinis Anruf ausgeschaltet hatte, hatte er mich über die Katerflucht nicht informieren können.
»Er scheint wohl sehr an Ihnen zu hängen«, meinte Yunus.
»Das soll auch so sein, nicht wahr, mein Junglöwe?«, sagte ich mit Blick auf den Kater.
Sei froh, dass ich dich da rausgeholt habe, antwortete das Tier, dieser alte Mann ist nix für dich. Guck dir mal Yunus an, er ist jung und knackig.
Ich lachte. »Ihr duzt euch schon?«, fragte ich.
Na, klar.
»Was haben Sie gesagt?«
»Eberhard hat mir gerade erzählt, dass Sie beide Brüderschaft getrunken haben«, grinste ich.
»Sie sprechen wieder mit ihm?«
»Ja.«
»Ich hab's auch versucht«, gestand Aydin. »Aber ich habe keine Antwort bekommen.«
»Das ist eine Frage des Trainings«, erklärte ich.
»Ich mag den Kater jedenfalls – und er mich«, stellte der Delphin in der Morgenröte fest. »Das finde ich sehr schön.« Er kraulte das Fell seines neuen Kumpels.
»Er braucht ein Bad«, rümpfte ich die Nase.
Ich packte Eberhard und verschwand. Als ich meine Wohnungstür aufschloss, sah ich den Brief auf dem Boden liegen. Ich hob ihn auf, betrachtete ihn, hatte auf einmal Angst, ihn zu öffnen.
Ein ungewohnter Duft streifte plötzlich die Härchen meines Geruchsorgans, blieb eine Weile, ich versuchte mich seiner zu erinnern, doch bekam ihn nicht richtig zu fassen.
Der Mörder hatte mir wohl das Foto des noch fehlenden letzten Opfers geschickt: Monika Keller. Mit fliegenden Fingern riss ich das Papier auf.
Doch ich irrte mich. Ich sah in mein eigenes Gesicht. Und quer darüber las ich: CRUDELITAS.
Mit weichen Knien schaffte ich es zum Sofa und ließ mich darauf fallen.
Was ist los?, fragte Eberhard.
»Ich habe einen Gruß bekommen – vom Todsündenmörder. Hier – das bin ich – erkennst du ja wohl.«
Au weia.
»Es ist im Garten des Altenheims aufgenommen worden«, erklärte ich. »Ohne dass ich etwas bemerkt habe.«
Was heißt CRUDELITAS?, wollte der Kater wissen.
»Moment, ich schau nach.«
Wenig später wusste ich es: CRUDELITAS war Hartherzigkeit.
Ich griff nach dem Zettel mit dem Psalm-Text:
Die Treulosen habe ich gesehen, und es ekelte mich an, weil sie dein Wort nicht bewahrten. Sieh, dass ich deine Vorschriften lieb habe. Nach deiner Gnade, Herr, belebe mich! Die Summe deines Wortes ist Wahrheit, und jedes Urteil deiner Gerechtigkeit währt ewig. Oberste haben mich verfolgt ohne Ursache. Aber vor deinem Wort hat mein Herz gebebt. Ich freue mich über dein Wort wie einer, der große Beute macht. Lüge hasse und verabscheue ich.
Ich überlegte, wer von meiner persönlichen Verstrickung in das Schicksal von Luisa Daniel wusste.
Da gab es Pfarrer Großmann, die Kollegen in der Redaktion und Georg Mahler.
Glaubst du, dass du in Gefahr bist? Immerhin sind die Leute auf den anderen Fotos tot.
»Wenn ich das wüsste, Junglöwe«, seufzte
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