Grappa 13 - Grappa und die acht Todsuenden
sich.
»Stimmt! Hier ist er! Prof. Dr. Georg Mahler. Zumindest existiert dort ein Mann, der diesen Namen trägt. Leider gibt es keine Fotos von den Professoren. Aber es dürfte kein Problem sein, herauszukriegen, ob die beiden identisch sind.«
»Ich werde mich morgen darum kümmern«, kündigte ich an.
»Gut. Und jetzt reden wir über ein mögliches Motiv.«
»Es will mir nicht in den Kopf, dass Mahler der Mörder ist«, sagte ich bedrückt. »Ich hatte ... na ja ... eine kurze Affäre mit ihm.«
Yunus Aydin schaute noch immer auf den Monitor und konnte nicht sehen, dass ich rot wurde.
»Sind Sie in ihn verliebt?«
»Nein, ich glaube nicht. Obwohl ...«
»Obwohl?«
»Es ging alles so schnell. Wir hätten uns erst besser kennen lernen sollen, bevor wir ...«
Der Anwalt nickte. »Ich verstehe.«
Wir kehrten zum Essplatz zurück. Aydin scheuchte Eberhard vom Tisch, der die Reste der türkischen Mahlzeit nicht nur inspiziert hatte.
»Vor zwanzig Jahren war Mahler Anfang bis Mitte dreißig. Welche Männer in diesem Alter spielten damals eine Rolle?«, fragte der Anwalt.
»Das habe ich mir auch schon überlegt«, sagte ich. »Marius Daniel und Hans Keller, der Mörder und der verschwundene Ehemann. Marius Daniel ist seit zwanzig Jahren tot und Hans Keller sieht völlig anders aus als Mahler. Die Polizei hat mir ein Bild von ihm geschickt.«
»Warum hat wohl der mysteriöse Besucher von dieser Keller die Fotos aus dem Album gestohlen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Sie sollten mit Nikoll reden«, wiederholte Aydin. »Sie scheint wenigstens ein schlechtes Gewissen zu haben. Das sollten Sie ausnutzen.«
»Ja«, sagte ich. »Ich werde mit ihr reden. Es gibt keine andere Möglichkeit. Gleich morgen werde ich sie fragen.«
Warum habe ich ihm eigentlich alles erzählt?, fragte ich mich. Hoffentlich würde es sich nicht irgendwann als Fehler herausstellen.
»Und jetzt lassen Sie uns weiter schlemmen«, lächelte Aydin. »Jetzt kommt nämlich das Beste: Etli Kagit Kebabi – Lammkebab in Pergament-Papier! Und das ist auch etwas für den Junglöwen!«
Gläubiger und Glauben
Verworrene Träume plagten meinen Schlaf. Ich sah mich im Mittelpunkt eines Spinnennetzes, in dessen klebrige Fäden ich mich immer mehr verstrickte, um schließlich bewegungsunfähig von der Spinne verspeist zu werden. Die Angst vor den Krabbeltieren wird Arachnophobie genannt – und unter solchen Hysterien hatte ich eigentlich noch nie gelitten.
Die Uhr sagte mir, dass es kurz vor sieben war. Ich duschte heiß, goss einige Liter Kaffee in mich hinein, versuchte die Zeitung zu lesen, doch Eberhard ließ es nicht zu: Er versteckte sich hinter der geöffneten Zeitung und schlug dann mit dem Pfötchen gegen das Papier. Die Buchstaben wackelten heftig, ich nahm die Arme herunter, der Kater ›betrat‹ den Artikel, den ich gerade lesen wollte, und legte sich schnurrend auf das Blatt.
»Willst die SZ wohl für dich allein?«, lächelte ich und kraulte seine Kehle. »Warum legst du dich nur auf die Süddeutsche und rümpfst beim Bierstädter Tageblatt deine Stupsnase?«
Das liegt am Niveau, antwortete der Kater.
»Danke! Runter da!«
Indigniert sprang der Kater auf den Boden und verschwand.
Ich frühstückte zügig zu Ende, denn ich hatte vor der Redaktionskonferenz noch etwas zu erledigen: Odysseus Odenski einen Besuch abzustatten. Um diese Zeit lag der Totgeglaubte sicherlich noch faul in seinen Kissen.
Kurz vor acht erreichte ich das graue Haus neben der Kirche. Die Fenster der Wohnung waren verschlossen, die Vorhänge zugezogen. Alles wirkte abweisend.
Ich checkte ab, welcher Klingelknopf zu Odenskis Wohnung gehören könnte. Wie immer in solchen Häusern lag eine Frau mit den üblichen Lockenwicklern im Fenster ... und zwar so weit unten, dass ich sie ansprechen konnte, ohne herumzuschreien.
»Ein Freund von mir ist hier kürzlich eingezogen«, log ich, »ich finde seinen Namen aber nicht. Lange Haare, ein Künstlertyp. Wissen Sie, wo er wohnt?«
»Müller«, sagte sie gelangweilt. »Sie müssen bei Müller drücken.«
»Können Sie mich reinlassen?«, fragte ich. »Der schläft bestimmt noch. Will ihn überraschen.«
Sie verstand. In diesem Haus schliefen wahrscheinlich alle Leute bis in die Puppen. Die Frau verschwand vom Fenster und ich hörte das Summen des Türöffners.
Der Hausflur wirkte heruntergekommen. Ich kletterte die Stiege hoch, deren Holzstufen in der Mitte abgewetzt waren, und stand wenig
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