Grappa 14 - Grappa im Netz
stimmte ich zu. »Allerdings reißt sich, soviel ich mitbekommen habe, auch Nagels Partei auch nicht gerade ein Bein aus, um ihn wiederzukriegen.«
»Die haben immerhin einen Krisenstab zur Rettung Nagels gebildet. Aber so wie ich höre, enden die Sitzungen meistens mit einem mittelschweren Besäufnis.«
»Was also sollen wir konkret tun?«, fragte ich.
»Ich werde einen scharfen Kommentar schreiben«, kündigte Jansen an. »Und du könntest vielleicht den Bierstädter Parteivorsitzenden in eure Sendung zum Interview einladen.«
»Na, ob das was bringt? Der Vorsitzende redet sich eh raus. Und der Moderator unserer Sendung hat von Interviewtechnik noch nicht viel begriffen. Aber ich will es gern versuchen.«
»Irgendwas muss doch passieren!«, meinte Jansen mit leichter Verzweiflung in der Stimme.
»Reg dich nicht auf!«, beruhigte ich ihn. »Ich mache ja mit, soweit ich kann. Und nun muss ich los! Ich hab einen Termin. Ciao, Peter!«
Der Verkehr in Bierstadt stockte mal wieder. Auf der Bundesstraße blockierten die Lastkraftwagen zwei der drei Spuren und pusteten mir die Abgase ins Gesicht. Offenfahren war zwar grundsätzlich schön, aber eben nicht immer. Schon so mancher Vogel, der an einer Ampel über mir auf einem Baum saß, hatte den unwiderstehlichen Drang verspürt, sich auf meine Polster zu entleeren. Einmal hatte ich einen solchen Klecks sogar auf die Sonnenbrille bekommen.
Irgendwann hatte ich die Sonntagsfahrer und die Brummis hinter mir gelassen und bog in die ruhige Straße ein, in der Frau Urban neuerdings allein hauste.
Immerhin hatte es trotz Urbans Karriereabsturz noch zu einem ganz netten Reihenhäuschen gereicht.
Mein Herz klopfte, als ich klingelte. ›Witwenschütteln‹ war eigentlich nicht mein Stil. Doch ich musste da durch.
Die Tür öffnete sich und ich blickte ins Gesicht einer Frau, die mich misstrauisch musterte.
»Frau Urban?«
»Ja. Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Grappa. Ich war eine Kollegin Ihres Mannes bei TV Fun. Ich möchte Ihnen im Namen der Redaktion mein tief empfundenes Beileid aussprechen. Darf ich reinkommen?«
Wortlos ließ sie mich eintreten, ich folgte ihr durch den schmalen Flur ins Wohnzimmer. Das war mit Holzmöbeln voll gestellt, und zwar so, dass der Weg zur schmucken Klubgarnitur einem Slalom glich.
»Setzen Sie sich doch«, sagte Frau Urban. »Einen Schnaps?«
»Nein, danke«, winkte ich irritiert ab. »Aber vielleicht hätten Sie einen Kaffee?«
»Ich mache welchen«, kündigte sie an und ging aus dem Zimmer.
Sie war eine rundliche Frau um die fünfzig, keine Schönheit, aber auch nicht hässlich. Das Foto auf Urbans Schreibtisch war bestimmt vor zehn Jahren aufgenommen worden. Sie passte gut zu Urban. Die fleischgewordene Unauffälligkeit.
Ich dachte an Urbans Selbstbeschreibung im Internet. Hier also hatte der Mann gelebt, der von Frauen Hingabe und Unterwerfung forderte. Mein Blick schweifte über vergilbte Trockensträuße, niedliche Keramiktiere und grellbunte Sammelteller.
Da kam sie auch schon mit dem Kaffee zurück und reichte mir den Becher. Es war lösliches Pulver mit heißem Wasser überbrüht und schmeckte grauenhaft. Plötzlich dämmerte mir, warum Quincy sadistische Anwandlungen entwickelt hatte: Es musste an diesem Kaffee gelegen haben.
»Es muss schlimm für Sie sein«, begann ich vorsichtig, »dass Ihr Mann auf so schreckliche Art ums Leben gekommen ist.«
»Ja, es ist schon irgendwie furchtbar«, stimmte Frau Urban mir zu. »Lässt sich einfach vergiften von so einer Nutte. Das hat er sich aber selber zuzuschreiben.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich – nicht wenig überrascht über ihre coole Haltung.
»Der war halt gern unterwegs«, erzählte sie. »Nach der Arbeit hatte der Herr was Besseres zu tun, als mit seiner Frau zusammen zu sein.«
»Und wo hat er seine Abende verbracht?«
»Rumgehurt hat er«, sagte sie hart. »Mit Weibern. Und wenn er zu Hause war, hat er im Keller gehockt und an seinen Flugzeugmodellen rumgeschraubt.«
»Einen Computer hatte er nicht hier, oder?«, startete ich einen Versuch.
»Sie meinen wegen dem Internet? Die Polizei hat mir alles erzählt.«
»Was haben die erzählt?«, fragte ich dumm.
»Er hat sich die Weiber aus dem Internet geholt. Vom Büro aus«, berichtete sie, »und sich dann mit ihnen getroffen. Und eine von denen hat ihm das Gift gegeben. Das hat er jetzt davon.« Der letzte Satz klang schadenfroh.
»Sie wissen aber nicht, mit wem er sich an dem Tag treffen
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