Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
Schlicht sagte entweder, dass sie aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen könne, dass sie nichts wisse oder nichts sagen wolle. Nach drei Minuten gab der Fernsehmann auf und bedankte sich für das »erhellende Gespräch«.
Beate Schlicht war ein harter Brocken, das war mir jetzt klar. Eine kleine, drahtige Frau mit rappelkurzem schwarzem Haar, die knappe Sätze liebte, als hätte sie Angst, für jedes überflüssige Wort einen Euro zahlen zu müssen.
Ich rieb mir die Hände: Noch hatten wir die Identität des Opfers exklusiv. Ob das allerdings wirklich ein Grund zur Freude war, musste sich noch herausstellen.
Privatklinik von Siebenstein. Irgendwo hatte ich den Namen schon mal gelesen. Die Internet-Suchmaschine verwies mich auf die Homepage des Krankenhauses.
Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen die Menschen, die sich vertrauensvoll in unsere Obhut begeben. Die Privatklinik Prof. Rudolfo von Siebenstein gewährleistet eine bestmögliche medizinische und pflegerische Versorgung. Das ist auch unser erklärtes Ziel: Wir wollen ein Gesundheitszentrum sein, das den Patienten ein Höchstmaß an Heilungschancen bietet.
Die Philosophie ›Panta Rhei‹: ›Alles bewegt sich, alles ist im Fluss‹, bedeutet für uns: ›Alles bewegt sich bei uns um Sie‹. Damit wir diesem Anspruch auch in qualitativer Hinsicht gerecht werden, steht Ihnen bestausgewiesenes Fachpersonal sowohl im ärztlichen, pflegerischen als auch im Hotelbereich zur Verfügung.
Das Haus lag zwischen einem Hügel und einem See, verfügte über ein privates Ufer und eine ausgezeichnete Küche.
Erholen bei gutem Essen und in schöner Landschaft – eigentlich genau das Richtige für mich, dachte ich. Lange Spaziergänge am Seeufer, sich den ganzen Tag um den eigenen Körper kümmern und kümmern lassen, gepflegte Dialoge mit betuchten Mitpatienten – was konnte es Schöneres geben?
Das Telefon klingelte und riss mich aus meinen Seniorenfantasien. Es war Jansen.
»Wir bekommen gerade eine Meldung von einem Bluthund«, sagte er. Er bemühte sich, ruhig zu sprechen. »Toninho ist entführt worden. Ich hoffe, ich muss dir jetzt nicht erklären, wer das ist.«
Schwarze Gazelle und schlechtes Gewissen
Toninho, der Star der Schwarz-Gelben. Brasilianer: samtene schwarze Haut, Körperbeherrschung pur, Spieltrieb überdimensioniert, Kampfgeist je nach Laune ausgeprägt. Die Fans beteten ihn an. Oft spielte er nur für sie: schaute nach jedem Pass und jedem Tor auf die Ränge, hob die Arme und ließ den Unterleib kreisen. Frauen kreischten verzückt und musterten verstohlen ihre Männer. Auch die männlichen Fans verziehen der schwarzen Gazelle von Rio immer wieder Jähzorn, Faulheit, Unpünktlichkeit, Fehlpässe, Schwalben und Blutgrätschen.
Toninho Baracu. Ihm wurde nachgesagt, auf Partys mit jeder hübschen Frau zu flirten. Dass er auch bei den Frauen und Freundinnen seiner Mannschaftskameraden eine satte Trefferquote zu haben schien, machte die Frage nach seinen Feinden fast überflüssig.
»Wie ist das genau passiert?«, fragte ich.
»Er war der Letzte im Duschraum. Die anderen Spieler waren schon draußen. Nach ersten Ermittlungen sollen ihn drei maskierte Typen abgepasst und einfach kassiert haben.«
»Nackt?«, fragte ich interessiert.
Jansen überhörte meine Frage und berichtete weiter: »Draußen stand ein Lieferwagen vom Catering-Service. Klappe auf, Toninho rein und weg.«
»Catering-Service?«
»Nur ein Täuschungsmanöver. Der Wagen war geklaut.«
»Sauerwald hat jetzt zwei Probleme«, stellte ich fest. »Eine geschändete Tochter und einen entführten Starkicker. Was ihn wohl mehr berührt?«
»Keine Ahnung, dazu kenne ich ihn zu wenig. Lass uns abwarten, wie sich alles entwickelt, ja?«, versuchte Jansen, mich zu bremsen. »Vielleicht ist die Entführung nur ein Jux seiner Kumpel. Die Brasileros haben ja manchmal einen merkwürdigen Geschmack. Erinnerst du dich noch an den angeblichen Überfall in Rio?«
Nein, tat ich nicht. Jansen half mir auf die Sprünge. Toninho war zum letzten Saisonbeginn nicht rechtzeitig aus seiner Heimat zurückgekehrt, hatte einen Überfall als Grund angegeben. Eine Lüge, denn eine brasilianische Zeitung präsentierte ein Foto des Spielers – wie er in einem Pool mit vier jungen Frauen herumplanschte.
Toninho war nach seinem Eintreffen vom Vorstand der Schwarz-Gelben mit einer Geldstrafe belegt worden. Das wiederum hatte den kaffeebraunen Adonis so geärgert, dass er während der folgenden
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