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Grappa 16 - Rote Karte für Grappa

Grappa 16 - Rote Karte für Grappa

Titel: Grappa 16 - Rote Karte für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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immer irgendwo vergaß. Ich hasste dieses Wetter, es machte mich depressiv und übel gelaunt. Die Nacht war zu kurz gewesen, ich hatte schlecht geschlafen und in den Phasen des Wachseins eine Sinnkrise bekommen, in der ich mir immer dieselben Fragen stellte: Wer bist du, wo willst du hin und was soll der Scheiß?
    Du wirst alt, Grappa, dachte ich, und deine Kräfte schwinden. Du bist schon alt, Grappa, dachte ich weiter, und deine Kräfte sind schon weg. Sieh der Wahrheit endlich ins ungeschminkte Auge.
    Immer wenn mich eine Depression im Griff hatte, waren meine Sinne so aufgestellt, dass sie genau das registrierten, was mich noch tiefer runterzog.
    Legionen von schönen, jungen Frauen waren gerade heute auf der Straße unterwegs, mit schlanken Körpern, langen Beinen und guter Laune.
    Ich versuchte, sie keines Blickes zu würdigen, als ich an ihnen vorbeifuhr, und rief mich zur Disziplin. Jedes Alter hat seinen Vorteil, nur leider fiel mir spontan keiner für meine aktuelle Lebensphase ein.
    Ich bog auf den Parkplatz des Verlagshauses ein. Wahrscheinlich blockiert die Angeberkarre von diesem Harras noch immer meinen Parkplatz, grummelte ich vor mich hin und war bass erstaunt, dass ich mich irrte. An dem Nummernschild, das den Platz als den meinen markierte, hing ein Zettel: Sorry, wusste nicht, dass Sie wieder da sind. Harras.
    Der Typ gönnte mir noch nicht mal einen mittleren Wutanfall, den ich gerade jetzt hätte gebrauchen können, um mich abzureagieren.
    Ich stellte den Wagen ab und ging zum Eingang. Harras hatte seinen Wagen direkt davor abgestellt – im absoluten Halteverbot.
    »Guten Morgen«, begrüßte ich den Pförtner.
    »Der Herr Harras fährt gleich wieder weg«, antwortete er. Er hatte beobachtet, dass ich die Corvette gemustert hatte. »Damit die Zeitungswagen Platz haben.«
    »Ist ja okay, ich sag doch gar nichts ... Einen schönen Tag noch.«
    »Selbst auch.«
    Ich wartete auf den Lift.
    »Frau Grappa?« Es war wieder der Pförtner.
    »Könnten Sie ein Paket mit nach oben nehmen?«, fragte er. »Vielleicht ist ja was Wichtiges drin. Der Bote kommt doch erst um elf. Und ich kann hier nicht weg.«
    »Klar.« Ich ließ mir das Paket aushändigen. Es war mittelschwer und an die Redaktion des Bierstädter Tageblattes adressiert. Ich schob es in den Aufzug und schwebte nach oben.
    Im Großraumbüro war noch niemand. Das Paket gehörte auf Stellas oder Susis oder Saras Schreibtisch. Sie waren für das Öffnen der Post zuständig, falls nicht gerade etwas Wichtigeres anlag.
    Auf dem Boden lag ein Stapel Zeitungen. Ich hatte die heutige Ausgabe des Bierstädter Tageblattes noch nicht gelesen. Irgendjemand in meinem Haus klaute mir neuerdings die Zeitung aus dem Briefkasten.
    Toninhos Entführung war natürlich der Aufmacher, mein Artikel über Margit Sauerwald war darunter gerutscht.
    »Gefällt Ihnen mein Stil?«, fragte eine Stimme.
    Ich drehte mich um. Er war groß, vollschlank, trug Brille, Halbglatze und Vollbart.
    »Harras?«, krächzte ich.
    »Genau. Und Sie sind Frau Grappa, die Frau, die ihr Leben für das Tageblatt aufs Spiel gesetzt hat.«
    »Geht es nicht ein bisschen weniger theatralisch?«, fragte ich. »Ich werde ja so rot wie Ihr Pullover.«
    »Gefällt er Ihnen? Meine Tante ist ein Strickgenie und ich bin ihr liebstes Versuchskaninchen.«
    »Jedenfalls wird kein Lkw Sie überrollen – auch nicht bei schlechter Sicht.«
    Er lachte dröhnend. »Sie entsprechen ja wirklich Ihrem Ruf. Wollen Sie einen Kaffee? Ich koche gerade welchen.«
    »Ja, gern.«
    Er schlurfte in Richtung Küche. Seine Hosen waren ausgebeult und zu lang, die Farben des Strickteils waren das Aufwühlendste an dem ganzen Kerl. Jansen hatte mir etwas von attraktiv und dunkelhaarig erzählt. Ich seufzte. Das Leben legte mir mal wieder eine harte Prüfung auf.
    Aber Kaffee kochen konnte er. Harras verriet auch gleich das Rezept: Einen Löffel Kakao ins Kaffeemehl rühren und schon bekam die Brühe eine orientalische Note. So saßen wir zwei allein im Großraum, hielten je einen Becher in der Hand, schlürften und tauschten ein paar Kaffeetipps aus.
    »Sie müssen es mal mit Caramel- oder Schoko-Sirup versuchen«, riet ich. »Einen guten Schuss in die Milch, alles aufschäumen und dann starken Espresso drüber – ist einfach genial.«
    »Hört sich gut an.« Harras' Oberlippenbart war so lang, dass er die Haare bei jedem Schluck untertauchte, um sie dann mit der Zunge abzuschlecken, bevor die Tropfen auf sein Hemd

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