Grappa 17 - Grappa und die Nackenbeisser
widerstrebend. »Was ist denn los, Grappa?«
»Ich hab da gestern was gefunden«, antwortete ich. »Abrechnungen und Unterlagen über Reisen in die Schweiz. Nach Zürich. Und irgendwelche Bankpapiere waren auch dabei. Blöd, dass ich nicht gleich drauf gekommen bin.«
»Du meinst, Lilo hatte ein Nummernkonto in der Schweiz?«
»Das weiß ich nicht«, entgegnete ich. »Aber vielleicht ein Schließfach.«
»Warum konnte Lilo das nicht alles etwas weniger kompliziert machen?«, seufzte Jansen. »Im Haus ist ein Safe, in dem ein Schlüssel ist, der zu einem Schließfach in der Schweiz gehört. Warum hat sie ihre Geheimnisse überall in der Welt verteilt?«
Jansen fuhr zur Redaktion, um seiner Arbeit nachzugehen, ich begab mich in meine Wohnung und stürzte mich sofort auf den Aktenordner.
Lilo von Berghofen hatte sich Angebote über die Eröffnung eines Schweizer Nummernkontos eingeholt. Sie hatte Kontakt zur Credit Suisse, zu den Privatbanken Julius Bär und Swissfirst und zur Schweizer Tochter der Deutschen Bank aufgenommen. Natürlich konnte man in diesen Banken auch Schließfächer mieten. Zur Identifikation musste lediglich der Personalausweis vorgelegt werden.
Lilo hatte auch Flugscheine in dem Ordner abgeheftet. Sie war in den vergangenen Monaten je zweimal morgens von Düsseldorf nach Zürich geflogen und abends wieder zurück. Bei allen Besuchen hatte sie am Flughafen ein Taxi bestiegen und sich in die Bellariastrasse bringen lassen, entnahm ich den entsprechenden Quittungen. Ich checkte die Adressen der Banken und landete einen Treffer bei der Swissfirst Bank. Sie hatte in dieser Straße ihre Filiale.
Ich wollte den Ordner gerade zuklappen, als ich eine weitere Kopie des dürerschen Kupferstiches fand. Lilo von Berghofen hatte die Melencolia I zwischen den Quittungen abgeheftet. Immer wieder drängte sich das über vierhundert Jahre alte Bild in die Gegenwart.
Ich fuhr sofort zum Verlag und stürzte in Jansens Büro. »Ich muss nach Zürich fliegen«, kündigte ich an. »Lilo hatte wahrscheinlich ein Nummernkonto und ein Schließfach in der Schweiz.« Ich gab ihm eine Kurzfassung meiner Rechercheergebnisse.
»Nummernkonten werden doch nur von Steuerbetrügern eingerichtet«, überlegte mein Chef. »Wenn das rauskommt, habe ich die Finanzbehörden am Hals.«
»Warte doch erst mal ab«, sagte ich. »Außerdem müssen wir weder den Bullen noch dem Finanzamt von diesem Konto erzählen.«
»Sie hatte doch genug Geld.« Jansen konnte es nicht fassen. »Warum konnte sie den Hals nicht vollkriegen?«
»Das Konto ist die eine Sache«, stellte ich klar. »Das Schließfach ist interessanter. Da packt keiner Geld rein, wenn er ein Nummernkonto hat. Schließfächer sind für Geheimnisse gut und um die geht es uns in erster Linie.«
»Gut, dann flieg nach Zürich«, ergab er sich. »Der Flug geht auf mich. Aber – hast du irgendeine Idee, warum eine Schweizer Bank dir gegenüber das Bankgeheimnis verletzen sollte?«
»Noch nicht«, antwortete ich. »Aber bis morgen werde ich eine Idee haben müssen.«
Rizin und Reisepass
Am Nachmittag wurde das Obduktionsergebnis bekannt gegeben. Es überraschte mich nicht. Mike Schott war kein Selbstmörder, er war mit Rizin vergiftet und dann von der Brücke geworfen worden.
Die Staatsanwaltschaft beantragte einen Haftbefehl für Sabine Wunsch und das Gericht folgte dem Begehren. Natürlich fiel ich aus allen Wolken. Diese Frau war nicht in der Lage, eine solche Tat zu planen und auszuführen.
Aber die Ermittlungen der Polizei besagten, dass Sabine Wunsch Mike Schott vergiftet und dass sie dem noch lebenden Mann vorgegaukelt hatte, ihn ins Krankenhaus bringen zu wollen. Stattdessen war sie zur Brücke gefahren und hatte den sterbenden Schott übers Geländer geworfen. Den Wagen ließ sie stehen, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Mit der geöffneten Beifahrertür war ihr ein Fehler unterlaufen.
Doch wie war sie von der Autobahnbrücke zurück nach Hause gekommen? Auch dafür hatten die Ermittler eine Erklärung: Am Tag zuvor war Sabine Wunsch mit ihrem eigenen Pkw auf einen Rastplatz gefahren, der sich etwa fünfhundert Meter von der Brücke entfernt befand. Sie musste also nur zu dem Rastplatz laufen, in den am Vortag geparkten Wagen steigen und zurück nach Bierstadt fahren.
Die Polizei meinte sogar zu wissen, wie Sabine Wunsch am Vortag der Tat nach Hause zurückgelangt war: per Anhalter. Entsprechende Zeugen wurden gesucht.
»Das glaub ich nicht«, sagte ich zu
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