Grappa dreht durch
heiser.
»Ich rate Ihnen, das Mädchen gut zu behandeln!« zischte ich.
»Ich glaube kaum, daß Sie uns Ratschläge erteilen können. Also - legen Sie den Film bereit. Wir werden uns wieder melden. Und noch etwas. Keine Bullen. Ist das klar?«
»Vollkommen klar. Wann melden Sie sich wieder?«
»Lassen Sie sich überraschen.« Das Gespräch war zu Ende.
Ich ließ mich neben Rita aufs Sofa fallen.
»Mist!« sagte ich. »Eine Entführung! Das hat uns gerade noch gefehlt! Wie beurteilst du die Sache?«
Ritas Kopf erhob sich langsam. Der erste Ton, der aus ihrer Kehle kam, ähnelte einem Lachen.
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»Ich glaube ihr kein Wort. Carola braucht Geld für Stoff. Vor zwei Jahren war sie auch schon mal entführt worden und forderte Lösegeld. 5000 Mark. Sie lügt, stiehlt und betrügt, wenn sie nichts mehr hat, um sich vollzudröhnen.«
Rita strich durch ihr glanzloses Haar. Die Falten um die Mundwinkel wirkten in dem Neonlicht des Raumes tiefer, als sie in Wirklichkeit waren. Die Augen waren rot entzündet.
»Rita! Es geht nicht um Geld. Die Entführer wollen einen Film. Von Geld war nicht die Rede. Hast du nicht zugehört?«
»Einen Film? Welchen Film?« fragte sie verdutzt.
»Woher soll ich das wissen? Mehr sagte Carola nicht. Um welchen Film geht es?« fragte ich.
»Ich weiß es nicht. Ich habe nicht die geringste Ahnung. Wirklich!«
»Und warum glauben die Entführer, du wüßtest Bescheid? Verschweigst du etwas?«
»Nein, verdammt noch mal. Vielleicht irgendein Film, der in der Kiste liegt. Wir müssen uns die Sachen angucken, vielleicht finden wir etwas.«
Sie begann hektisch in den Filmkassetten zu wühlen. Dann sagte sie mit belegter Stimme: »Ich sage die Wahrheit. Glaubst du, ich lasse meine Tochter für einen blöden Film im Stich?«
»Entschuldige! Was sollen wir nur tun?«
Panik kroch in mir hoch. Die Sache fing an, mir über den Kopf zu wachsen.
»Sollen wir doch lieber die Polizei einschalten?« fragte Rita.
»Nein. Der Mann am Telefon klang eiskalt. Deine Tochter ist in der Hand von Verbrechern, die ihr Handwerk verstehen. Wir müssen diesen verdammten Film finden.«
Ich ordnete die Kassetten und stapelte sie zu drei Türmen. Es waren genau dreißig Stück.
»Du schaust dir diese zehn an, Bertha und ich die anderen zwanzig. Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht irgendwas finden würden.«
In mir erwachte der Kampfgeist. Eine dubiose Ahnung sagte mir, daß der Mann mit dem Namen eines vitaminreichen italie-
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nischen Gemüses in die Sache verwickelt war. Alfons Brokkoli, alias Alfons Lallensick, wir werden dir bald auf deine noble Bude rücken, dachte ich grimmig.
Fernsehen ist, wenn sich was bewegt
Gegen drei Uhr morgens war mein Videorecorder so heiß gelaufen, daß ich ihn abstellen mußte. Bei der Durchsicht der Drehkassetten hatte ich die tiefe Philosophie der Fernsehberichterstattung gelernt, die da heißt: Fernsehen ist, wenn sich was bewegt.
Todmüde schleppte ich mich ins Badezimmer. Es roch. Das Katzenstreu mußte dringend erneuert werden, Katze Miou saß vor dem Katzenklo und bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Blick.
»Sofort zu Diensten«, gähnte ich und begann mit der Arbeit.
Beim Ausspülen des Katzenklos dachte ich über mein Privatleben nach. Es verdiente diesen Namen nicht mehr. Statt mein Sparkonto zu plündern und Urlaub an einem südamerikanischen Strand zu machen, würde ich in knapp zwanzig Stunden mit einem verhuschten Krötenschützer durch einen Wald stolpern müssen, um anschließend einen Film daraus zu fertigen.
Statt mir von gut gebauten, kaffeebraunen Boys am Meer den Rücken eincremen und mich mit Drinks vollschütten zu lassen, suchte ich eine verlotterte Halbwüchsige, die sich selbst in Schwierigkeiten gebracht hatte.
Ich füllte neues Katzenstreu ein. Dann setzte ich mich auf das Sofa, schloß die Augen und träumte von einer Regenwaldtour mit Brüllaffen, Blutegeln und Brassavola Orchideen.
Der Traum von Abenteuer ließ meinen Magen knurren. Der Inhalt meines Kühlschranks war genauso wie der Inhalt meines Privatlebens: Leer.
Ein weiterer Tagtraum flatterte mir entgegen: Ein königli-
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ches, italienisches Essen. Ich nahm mir vor, mich nach der ersten Woche bei »Teleboss« mit einem Mahl in meinem Lieblingsrestaurant zu beschenken. Als ich Italien dachte, fiel mir Brokkoli ein. Auch wenn der Babystrich-Papst kein echter Italiener war, würde ihn die Italo-Szene in Bierstadt sicher kennen. Und ich hatte gute Verbindungen
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