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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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die er deutete. Ich sah ... nichts.
    »Wo?«
    »Da, sie bewegt sich in Richtung Straße. Da, hinter dem Baumstumpf hüpft sie gleich hervor.«
    Ich strengte meine Augen an. Elvis Wüsten hatte sich hinter mich gestellt, das Handlicht nach oben in die Bäume gerichtet. Da! Ich sah eine winzige kleine Kugel, die mit zögernden Sprüngen die Sicherheit des Waldbodens verließ und die Straßenböschung ansteuerte. Ich geriet in Panik, denn die Lichter der Autos näherten sich.
    Elvis Wüsten robbte an mir vorbei. Ohne Rücksicht auf seine nagelneuen Klamotten hatte er sich bäuchlings auf den Waldboden geworfen und versuchte, Bufo bufo ins Bild zu krie-
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gen. Mit dem Licht strahlte er das Erdkrötenweibchen an, das sich sofort abwandte und in die entgegengesetzte Richtung lief. Wüsten kroch auf dem Bauch hinterher.
    »Was trägt die Kröte denn da auf dem Rücken?« wollte ich wissen.
    »Das sind die Männchen!« informierte mich der Blonde. »Die Weibchen tragen ihre Männchen über die Straße. Sie befördert sie zu der Stelle im Wasser, wo die Begattung stattfinden wird.«
    »So sind die Männer«, urteilte ich, »zu faul, um sich selbst zum Beischlaf zu begeben. Treibt sie es mit allen zugleich?«
    »Nur einer begattet sie. Aber fünf bis fünfzehn Männchen sind schon gezählt worden! Sie schleppt sie alle mit und entscheidet sich dann!« Die Stimme des Krötenschützers wurde leise vor Ehrfurcht.
    »Die Auswahl möchte ich auch mal haben!« sagte ich
    »Die Sache ist nicht ganz unproblematisch«, erklärte der Naturfreund, »manchmal umklammern die Männchen das Weibchen so stark, daß es ertrinkt.«
    Elvis Wüsten krabbelte noch immer hinter der Kröte her. Das Handlicht huschte wie ein Irrwisch durch die Baumwipfel. Diesen professionellen Einsatz hätte ich ihm gar nicht zugetraut.
    »Besonders interessant ist der Laichvorgang bei der Geburtshelferkröte«, dozierte der Krötenmensch weiter, »nachdem das Weibchen die Laichschnüre abgelegt hat, packt das Männchen diese und schwimmt damit davon.«
    »Wie aufregend!«
    Elvis Wüsten und seine Kamera ließen das Amphibium nicht aus den Augen. Jetzt hatte die Kröte den Straßenrand erreicht. Ohne sich um den fließenden Verkehr zu kümmern, hoppelte sie auf die glatte, regennasse Fläche. Ich rannte zur Straße.
    Da! Das erste Auto brauste mit aufgeblendeten Scheinwerfern heran. Bufo bufo hatte Glück und kam mit dem Leben davon.
    »Verdammt!« schrie ich. »Was sind Sie nur für ein Naturschützer? Das nächste Auto trifft bestimmt!«
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Ich sprintete nach vorn zum Straßenrand.
    »Nein!« brüllte eine Stimme. Irritiert wandte ich mich um. Elvis Wüsten zoomte gerade auf das Tier und wollte nicht, daß ich ins Bild lief.
    »Ich will die Kröte von der Straße holen!« brüllte ich zurück.
    »Sie bleiben gefälligst, wo Sie sind!« krächzte er in einem unmißverständlichen Ton. Bevor ich widersprechen konnte, sauste ein weiteres Fahrzeug heran.
    Als es vorbeigefahren war, rannte Elvis Wüsten auf die Fahrbahn. Das Auto hatte getroffen. Im Schein des Handlichts erkannte ich eine blutige, zerquetschte Masse.
    »Solche Vorfälle sind nichts besonderes«, sagte der Krötenschützer. »An manchen Tagen können wir die Kröten eimerweise von der Fahrbahn holen. Sie sind ja so bleich - ist Ihnen nicht gut?«
    Ich ersparte mir die Antwort, denn Wüsten kam auf uns zu.
    »Fast hätten Sie meine Bilder ruiniert! Sind Sie hysterisch, oder was?« sagte er unfreundlich.
    »Ich brauche keine Bilder von einer zerquetschten Kröte«, blaffte ich ihn an. »Sie haben sich also vergebens bemüht.«
    »Anfängerin! Sie haben nicht den geringsten Sinn für die Dramaturgie eines Films! Den Zuschauern muß vorgeführt werden, was mit diesen Viechern passiert, wenn die Straße nicht gesperrt wird.«
    Jetzt spielte er auch noch den Naturschützer, der die Menschen durch besonders blutige Bilder läutern will! Ich war empört. Eine ungewöhnliche Erregung hatte in seinem Blick gelegen, als er seine Kamera auf die blutige Masse gerichtet hatte.
    Jetzt war er nur noch wütend. Sein nagelneuer Safari-Anzug war total verdreckt, das Haar war offen, weil das Zöpfchen an seinem Hinterkopf aufgegangen war.
    »Für einen Film sollte kein Tier sterben müssen. Noch nicht mal eine Kröte«, versuchte ich zu erklären.
    »Sie haben keine Ahnung vom Filmen!« krächzte er. »Ich werde mich künftig weigern, mit einer Anfängerin wie Ihnen arbeiten zu müssen.«
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Mein

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