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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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im Schwarzen. Dann sind die drei Männer wieder im Bild. Diesmal sitzen sie auf einer Holzbank neben der Saaltür. Erst nähert sich das elektronische Augen von der Seite und versucht, die Köpfe der drei möglichst nahe ins Bild zu kriegen.
    Das Auge hat ein besonderes Interesse für den Mann in der Mtlte. Er ist nicht fett, aber untersetzt, der hellblaue Anzug hat breite beige Streifen, die Schuhe sind zweifarbig weiß-braun.
    Die blauschwarzen Haare sind mit viel Brillantine behandelt und zurückgekämmt worden. Der breite Schnurrbart scheint die Oberlippe vollständig zu bedecken. Im Kameralicht wirkt die Gesichtsfarbe olivgelb.
    »Das ist er. Seine Haare sind etwas länger als in der Oper. Es ist kaum zu fassen, aber er sieht aus wie die platteste Karikatur eines Mafioso. Die beiden anderen Typen sind seine Gorillas.
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Guck dir nur diese Sonnenbrillen an! Die Szene erinnert an eine Low-Budget-Mafioso-Opera.«
    »Meinst du, daß er diesen Film haben will?« fragte Bertha, als ich den Stopknopf drückte und die Kassette auswerfen ließ.
    »Nein, um diese Kassette geht es bestimmt nicht. Das Material ist völlig harmlos. Gib mir mal die Kassettendose.«
    Auf der grauen Plastikumhüllung waren nur das Datum und der Arbeitstitel vermerkt. John Masul hatte die Kamera selbst bedient. Ziemlich ungewöhnlich. Masul hatte auf jeden Fall großes Interesse an Brokkoli gehabt. Weil er der Zuhälter seiner Tochter war?
    »Wenn Masul hinter Brokkoli her war, dann ist es bestimmt nicht um diesen Kleinkram gegangen«, sinnierte ich. »Der Film ist vor einem halben Jahr gedreht worden. Der Prozeßtag ist auf dem Aushangzettel in der Gerichtsvitrine vermerkt. Ich werde morgen beim >Bierstädter Tageblatt< nachfragen, ob die Zeitungen darüber berichtet haben.«
    Der Morgen graute bereits, die Vögel zwitscherten, und die ersten Autos fuhren die Straße entlang. Mein Magen knurrte.
    »Wo kriegt man in Bierstadt um diese Zeit noch was zu essen?«
    »Laß uns zum Hafen fahren. Da steht ein Imbißwagen, der seine Friteuse rund um die Uhr angeworfen hat.« Bertha kannte die geheimsten Adressen in Bierstadt.
    »Igitt! Pommes und Bockwurst?«
    Mich schauderte, doch mein Magen forderte mich unmißverständlich zur Zurückstellung ästhetischer Bedenken auf.
    »Ich weiß, daß die Speisekarte deinem verwöhnten Gaumen nicht entspricht. Also - entweder Pommes oder nix! Was ist, fahren wir?«
    Ich nickte. »Machen die wenigstens manchmal einen Ölwechsel?«
    »Aber klar!« behauptete Bertha. »Etwa so oft wie du bei deinem Auto.«
    »Mein Leben ist ein einziges Jammertal geworden«, haderte ich mit meinem Schicksal, »früher hätte ich mit Pommes nicht
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mal eine halbverhungerte Katze gefüttert. Wie tief bin ich gesunken, daß mir bei der Vorstellung der gelben Industriestäbchen das Wasser im Mund zusammenläuft!«
    »Arme Grappa!« seufzte Bertha. »Irgendwann sind Kaviar und Champagner auch langweilig.«
    Wir fuhren die Hafenstraße entlang. Links von uns dümpelte das ölige, dunkle Wasser. Ein paar kleinere Kähne schaukelten an den Docks.
    Am Horizont leuchtete es rosig. Gleich würde die Sonne über das Schmutzwasser in den Tag kippen. Ich stellte den Wagen ab. Wir stiegen aus. Die Luft war kühl und noch unverbraucht.
    »Schau mal, Bertha, das Morgenrot!« rief ich aus. »Weißt du, daß die antiken Griechen das Morgenrot als Göttin angesehen haben? Sie hieß die rosenfingrige Eos. Sie war die Botin des Tages und die Siegerin über die Nacht.«
    Ein beißender Fettgeruch verscheuchte meine Träume.
    »Hallo, Bertha!« knurrte der Mann hinter der Friteuse verschlafen. »Wie imma?«
    »Claro.«
    »Pommes wat drauf?« »Mayo.«
    »Und die da?« Er deutete mit dem Kinn auf mich.
    »Wie möchtest du deine in frischem Ol gebratenen Kartoffelstäbchen bereitet haben, und welche Beilage wäre dir angenehm?«
    Ich grinste. »Ich nehm Curry-Wurst mit Pommes Schranke.«
    »Was ist das denn?«
    »Pommes rot-weiß. Ist doch klar!«
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Auswahl unter fünfzehn Galanen
    Der Bengel war blond und hatte die gesunde Gesichtsfarbe eines Menschen, der die meiste Zeit seines jungen Lebens in freier Natur zubringt, makrobiotisches Müsli ißt und zu Wesen wie Bufo bufo und Bombina variegata eine fast erotische Beziehung unterhält. Er war der Krötenretter, mit dem ich durch den Wald stiefeln sollte.
    »Wann kommen die Viecher denn?« wollte ich wissen. Die frische Luft im abendlichen Wald machte mich wacher, als ich es vertragen

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