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Grappa dreht durch

Grappa dreht durch

Titel: Grappa dreht durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Wollenhaupt
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Lippenstift war verrutscht, auf dem Hals prangte ein kleiner Pickel, und gegen die Falten rund um die Augen könnte ich auch mal was tun. Den Schritt auf die Waage hatte ich seit Wochen nicht mehr gewagt. Ich hatte triftige Gründe dafür.
    Ein Klopfen an der Tür riß mich aus dem Wirbelsturm meiner Hormone.
    »Ja, bitte?« rief ich. Es war Betty. Sie schlüpfte hurtig ins Zimmer. Ihr Gesicht hatte eine frische Farbe.
    »War er schon bei dir?« wollte sie wissen und blies sich die grüne Haarsträhne aus der Stirn.
    »Wen meinst du?« tat ich ahnungslos.
    »Na, der Neue. Ist der nicht eine Wucht?« Sie schaute mich neugierig an wie ein Kind, das gerade ein schönes neues Spielzeug entdeckt hat.
    »Herr Zech war eben bei mir«, sagte ich förmlich, »und hat sich bekannt gemacht.«
    »Und? Sag schon! Wie gefällt er dir?«
    »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ist wohl eher deine Altersklasse.«
    »Er hat mich schon zum Abendessen eingeladen! Gerade eben, für heute abend«, verkündete sie stolz.
    »Ach ja? Wie schön für dich!«
    »Hast du gesehen, welch nette Grübchen er hat und wie er sich bewegt? Sensationell«
    »Ist mir überhaupt nicht aufgefallen.«
    »Dann hast du keine Augen im Kopf!« konstatierte sie. Sie sah mich mitleidig an, als wähnte sie mich voll in den Wechseljahren.
    »Na ja, er sieht ganz manierlich aus«, gab ich zu.
    »Er hatte schon Krach mit Elvis Wüsten!« klatschte sie.
    »Interessant! Was ist passiert?«
    »BIG Boss machte die beiden miteinander bekannt. Ist kaum eine Stunde her. Du warst gerade im Schnitt. Zech hat Boss, Mühlen, Wüsten und mir sein Konzept vorgestellt und angekündigt, in jedem Bereich des Unternehmens ein paar Wochen
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arbeiten zu wollen, um die Arbeitsabläufe zu studieren. Wüsten fragte, ob dies auch für den Kamerabereich gilt. Na klar, sagte Zech. Sekunden später hing der schöne Elvis unter der Decke und fing an zu brüllen.«
    »Schön, daß diese männliche Primadonna mal eins auf die Mütze kriegt!« freute ich mich. »Ich hatte gestern einen Riesenstreß mit ihm.«
    Ich erzählte ihr mein Waldabenteuer inklusive des unrühmlichen Endes. Dann kam ich auf die Bilder zu sprechen, die Wüsten abgedreht hatte. Dabei erwähnte ich auch die letzten Einstellungen, die die blutige Masse auf der Straße zeigten.
    »Er scheint eine Vorliebe für brutale Szenen zu haben«, stellte ich fest. »Hast du ähnliche Erfahrungen mit ihm gemacht?«
    Täuschte ich mich, oder erschrak sie?
    »Ach! Die sind doch alle so!« meinte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »BIG Boss knallt harmlose Tiere ab und ergötzt sich daran, Rudi Mühlen stochert verbal in eitrigen Wunden und künstlichen Darmausgängen, und Elvis Wüsten liebt Bilder mit Gewaltdarstellungen und Leichen. Irgendeine Macke hat hier jeder. Nur John Masul war normal. Deshalb haben ihm alle das Leben zur Hölle gemacht.«
    »Und wie haben sie das getan?«
    »Ich weiß es nicht«, wich sie aus. »Ich kann keine Fakten nennen, falls du das meinst. Die Stimmung war irgendwie gegen ihn. Es wurde über ihn getuschelt und gelacht, hier und da fielen spitze Bemerkungen über seine drogenabhängige Tochter. Wie das halt so abläuft.«
    »Könnte er sich deshalb das Leben genommen haben?«
    »Woher soll ich das wissen?« Sie fühlte sich von mir bedrängt.
    »Und Rosemarie Ritzenbaum? Sie konnte ihn doch gut leiden, oder? Zumindest hat sie sich mir gegenüber so geäußert.« »Anfangs schon. Als die beiden noch eine Affäre hatten.« »Und danach?«
    »Sie fing mit diesen kleinen Schweinereien ja auch erst an,
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nachdem er ihr den Laufpaß gegeben hatte. Da kannte sie keine Gnade. Wenn Frauen hassen ...« »Erzähl mir doch mal ein Beispiel!«
    »Rosi ist als Sekretärin für die Koordination der Drehtermine verantwortlich. Außerdem organisiert sie die Cuttertermine und vergibt die Zeiten, in denen die Beiträge gemischt werden. Sie hat Masul kalt auflaufen lassen. Mehrmals hat sie ihm falsche Adressen oder Gesprächspartner genannt, die es überhaupt nicht gab. Mal war es das Datum, das nicht gestimmt hat. Oder er hat den Schnitttermin verpaßt, weil sie ihm eine falsche Zeit gesagt hat.«
    »Hat er sich nicht gewehrt?«
    »Auf seine Art schon. Er wollte Konflikte durch Gespräche lösen. Aber sie hat ihn abblitzen lassen. Irgendwann hat er resigniert.«
    »Klassisches Mobbing«, bewertete ich, »so geht jemand vor, der einen anderen psychisch vernichten will. Hat ihm niemand

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