Grappa dreht durch
brauche Bilder mit Bäumen drauf. Nadelhölzer, Laubhölzer, Mischwald. Hauptsache
132
grün. Dann Bilder von erkrankten Bäumen. Ich erwarte die Kassetten in etwa einer Stunde. Dann organisieren Sie mir einen Schnitttermin für heute nachmittag. Eine Stunde genügt.«
»Aber tragen können Sie die Kassetten selber?« schnippte sie.
»Ich möchte Sie nicht überanstrengen, Frau Ritzenbaum«, gab ich mit einem Seitenblick auf Zech zurück. »Sie brauchen Ihre Kräfte vielleicht noch!«
Sie schwieg verstimmt und begann, die Kuchenteller wegzuräumen. Mike Zech schien es zu genießen, daß sich zwei Frauen in seinem Beisein mit Nettigkeiten bewarfen. In seinen Augen stand tiefe, ehrliche Freude.
»Sie können hier gerade einen ganz besonders bedeutsamen Arbeitsablauf beobachten«, dozierte ich in seine Richtung, »stark zielorientiertes Arbeiten unter Einbeziehung des alten, klassischen Delegationsprinzips. Falls Frau Ritzenbaum die Arbeiten zu meiner Zufriedenheit ausführt, bekommt sie von mir verbal positive Verstärkung. Falls nicht, werde ich mit deutlich formulierter konstruktiver Kritik auch weiterkommen. Schreiben Sie nicht mit? Diese Lektion haben Sie umsonst bekommen!«
Zech lachte amüsiert auf. Dann applaudierte er in meine Richtung und verbeugte sich dabei leicht. Seine Augen sprühten Spott. »Vielen herzlichen Dank, die Damen!« meinte er galant.
Rosemarie Ritzenbaum fand alles gar nicht komisch. Sie bemühte sich, ihre Wut zu unterdrücken. Ich hatte sie vor ihrem auserwählten »Männchen« zur bloßen Befehlsempfängerin degradiert. Das hatte weh getan.
Ihr müßt mir das Mobben nicht beibringen, dachte ich grimmig. Noch ein paar Wochen in dieser Firma hier, und ich kann Kurse in der Volkshochschule geben!
133
Der Befreiungsschlag im Morgengrauen
Luigi hatte die Belegschaft des »Pinocchio« mit allem ausgerüstet, was gut und teuer war. Schwarze Hüte, helle Staubmäntel, zwei trugen Maschinengewehrattrappen. Obwohl die Sonne gerade aufgegangen war, hatten drei der fünf Sonnenbrillen auf der Nase.
»Du meine Güte!« stieß ich hervor, als ich die Jungs aus dem Transporter steigen sah. »Du solltest die Filmrechte meistbietend verkaufen. Hast du eine Videokamera dabei? Die Privaten senden heutzutage jeden Mist.«
Luigi nahm meine Kritik mit Fassung. »Laß mich nur machen!«
Mit sparsamen Gesten wies Luigi seine Crew ein. Bertha guckte genauso erstaunt wie ich, als sie die Mafiosi-Kopien sah.
»Trag‘s mit Fassung!« flüsterte ich ihr zu. »Mir kommt‘s auch komisch vor. Wenn die Chose nicht hinhaut, können wir noch immer die Polizei einschalten.«
»Das hätten wir gleich machen sollen!« In Berthas Stimme lag mehr als nur leise Kritik.
Luigi gab uns ein Zeichen. Bertha und ich trotteten hinter den sechs Männern her, die schnurstracks auf Lallensicks Haus zugingen. Niemand zeigte sich auf der Straße. In diesem Viertel verließ man das Bett nicht vor Mittag. Lediglich ein Katzenpärchen streunte durch die Vorgärten, auf der Suche nach Eßbarem.
Hier gibt‘s keine Mäuse, sondern nur Ratten, dachte ich bitter. Und einer davon rücken wir gerade auf die Bude.
Lallensicks Haus kam in Sichtweite. Es war eine alte Villa, die von einem großen Grundstück umgeben war. Davor richtete sich drohend eine Mauer auf, deren Zinnen Kameras krönten.
Mein flauer Magen meldete sich.
»Wie sollen wir darüber kommen?« fragte ich Luigi. »Wenn er Kameras hat, dann hat er bestimmt auch eine Alarmanlage.
134
Wenn die losgeht, haben wir seine Gorillas auf dem Hals! Und die haben keine Attrappen, sondern echte Maschinengewehre!«
Luigi lächelte. »Wir auch!«
»Ich hab‘s geahnt. Jetzt hängt doch die Mafia drin, oder?«
Er antwortete nicht, sondern beobachtete die Fenster des Hauses. Nichts rührte sich, noch nicht einmal eine Gardine bewegte sich.
»Woher weißt du eigentlich, daß das Mädchen in diesem Haus versteckt ist?« wollte ich wissen. »Ich weiß es!« kam es lapidar.
Luigi gab dem schmächtigsten der Männer ein Zeichen. Im »Pinocchio« spülte er die Teller und durfte die Kräuter mit dem Wiegemesser hacken. Flugs war er über die Mauer geklettert. Ich blickte zu den Kameras. Sie bewegten sich nicht.
»Vor einer Stunde ist Strom in dieser Villa kaputt gegangen«, erklärte Luigi, »deshalb Alarmanlage ungefährlich.«
Luigis Tellerwäscher kam uns durch den geschniegelten Vorgarten entgegengestiefelt. Er öffnete in aller Seelenruhe von innen das
Weitere Kostenlose Bücher