Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
und bestieg den Bus (Fotos). Gegenüber unserer Zeitung bestätigte K., dass er der Familie ein »Schmerzensgeld« für die erlittenen Unannehmlichkeiten gezahlt hat. Der zweifelhafte Deal ist unter Beteiligung von Dimitar M. zustande gekommen, der in der Romahierarchie eine Führungsposition einnimmt. Er scheint die Familie überzeugt zu haben, auf eine Aussage gegen den Polizeiobermeister zu verzichten. Eine Stellungnahme dazu lehnte Dimitar M. mit eindeutigen Gesten ab (Foto) und bedrohte unser Reporterteam.
Die Ermittlungen gegen Lothar K. laufen weiter. Die Fotos unserer Zeitung aus der Nacht des Überfalls sprechen eine eindeutige Sprache.
Schnack akzeptierte meinen Artikel, ohne herumzukritteln. Wir rauften uns immer besser zusammen.
In der Kantine setzte ich mich zu Wayne. Ich hatte ein Brötchen ergattert, das mit Käse belegt war. Dessen Ränder bogen sich keck nach oben. Die Aioli unter dem Salatblatt gab dem Ganzen einen mediterranen Touch und hätte jeden Gourmet ins Koma gehauen. Ein paar Pommes vervollständigten das Menü. Wayne brütete über einem Eintopf, starrte die Erbsen einzeln an und gab ihnen Namen.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte ich.
»Nix.«
»Dann eben nicht«, meinte ich. »Ich hab sowieso keine Lust mehr, deine Psychotante zu spielen.«
»Dazu fehlt dir auch das Talent.«
»Ich weiß, Süßer«, lächelte ich und widmete mich meinem Gourmet-Brötchen. Mindestens fünf Minuten schwiegen wir und kauten lustlos.
»Es war schrecklich«, sagte Wayne.
»Was?«
Wieder Pause.
Jetzt taufte ich meine Pommes und verleibte sie mir in alphabetischer Reihenfolge ein.
»Ich konnte nicht«, sagte er dann.
»Was konntest du nicht?«
»Ich hab keinen hochgekriegt. Und Ivana hat geweint. So eine verdammte Scheiße!« Der Bluthund hatte feuchte Augen.
»Setzt euch doch nicht so unter Druck«, riet ich. »Wenn ihr euch liebt, dann kommt alles von allein. Nur nichts überstürzen.«
Wayne kratzte mit dem Löffel auf dem Boden seines Tellers herum.
»Schalt dein Kopfkino aus. Schau in ihre Augen und such dich darin. Dich und deine ungeborenen Kinder.«
Er stand abrupt auf, griff das Geschirr, dass es klirrte, und verließ den Tisch. Ich mümmelte mein Brötchen zu Ende und gratulierte mir zu meiner Berufswahl. Als Psychologin hätte ich gnadenlos versagt.
Im Großraumbüro stürzte sich Sarah auf mich. »Hast du dein Handy nicht dabei?«
»Nö. Ich wollte in Ruhe Mittag essen. Warum?«
»Dringender Anruf. Eine Maxi Singer. Erst hat sie es auf dem Handy probiert, dann über Festnetz. Boah, war die anstrengend.«
»Hat sie dich beim Nagelfeilen gestört oder beim Horoskop lesen?«
»Beim Horoskop«, gab Sarah zu. »Und das ist ganz mies ausgefallen. Hier!«
Sie setzte sich vor den Computer.
»Die Sterne sorgen heute dafür, dass Sie sehr viel Wert auf die Erfüllung Ihrer Aufgaben legen. Für große Überraschungen oder spontane Unternehmungen sind Sie nicht zu haben. Erledigen Sie daher Aufgaben, die mehr Erfahrung als Innovation erfordern.«
»Das klingt nach einem harten Arbeitstag«, konstatierte ich.
»Ja, das hab ich auch begriffen«, meinte sie. »Ich muss mich um die Honorare für die freien Mitarbeiter kümmern. Willst du auch dein Horoskop wissen?«
Sarah gab Widder in den Rechner ein. Es dauerte keine zehn Sekunden und sie las:
Sie verfügen heute über ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen. Diese Gabe erlaubt es Ihnen, die Empfindungen anderer Menschen wahrzunehmen. Daraus ergeben sich interessante Perspektiven und eventuell sogar spannende Erkenntnisse.
»Passt genau«, grinste ich. »Einfühlungsvermögen hatte ich schon, jetzt warte ich auf die spannenden Erkenntnisse.«
Prompt klingelte das Telefon. »Frau Singer schon wieder«, sagte Sarah und reichte mir den Hörer.
»Frau Grappa? Können Sie zuhören?«
»Ja, was ist passiert?«
»Donka ist hier. Das Mädchen, das …«
»Ich weiß, wer Donka ist«, entgegnete ich. »Wie kommt das? Sie saß doch im Bus nach Bulgarien!«
»Sie ist abgehauen, als alle eine Pause machten, und hat sich versteckt. Der Bus ist dann ohne sie weitergefahren. Sie ist per Anhalter zurückgekommen. Die Autobahnpolizei hat sie kurz vor Bierstadt aufgegriffen und zu uns gebracht.«
»Das ist gut. Donka ist eine wichtige Zeugin. Behalten Sie sie bitte bei sich, bevor ihr noch etwas passiert. Ich werde mit Dr. Kleist sprechen.«
Eine gute Nachricht!
Als Erster begrüßte mich Mobby. Die Bulldogge kam hoppelnd auf mich
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