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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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sprang vor seine Motorhaube.
    »Maria! Was ist los?«, fragte er. »Du bist ja weiß wie eine Wand.«
    »Da liegt etwas auf meinem Auto«, krächzte ich. »Irgendwas Totes.«
    Er ging in den Carport und schaute nach. Ich blieb zurück. In meinem Magen kämpfte der Kaffee mit den Brötchen darum, wer zuerst an die Luft durfte.
    »Da hat dir jemand zwei Tierbeine aufs Auto gelegt«, erklärte er. »Ich tippe auf Pferd. Und darunter war dies.«
    Er hielt ein verschmiertes Stück Pappe hoch. Gruß von Milev stand dort in ungelenk gemalten Buchstaben.
    »Die Reaktion auf deinen Artikel«, stellte Kleist fest. »Ich ruf die Spurensicherung.«
    »Ist es denn strafbar, jemandem zwei abgehackte Pferdebeine aufs Auto zu legen?« Ich schluckte immer noch Magensäure.
    »Da finden wir schon was. Bedrohung, Nötigung, Erschrecken einer unschuldigen Person oder Verstoß gegen das Tierschutzgesetz – falls das Pferd, das an den Beinen hing, noch lebendig war.«
    Kleist telefonierte.
    »Heute Abend ist hier alles wieder sauber«, versprach er dann. »Und jetzt steig ein, ich fahre dich zur Arbeit.«
    Die Sache hatte mich mitgenommen. Ich schwänzte die Redaktionskonferenz und verkroch mich in meinem Zimmer. Dimitar Milev würde sich nicht so einfach vom Thron stoßen lassen. Abgetrennte Pferdebeine. Zigeuneraberglaube. Reite nicht weiter auf diesem Pferd! Pferd als Metapher für den Weg, den man geht. All dies schoss mir durch den Kopf.
    Ich rief Ivana an und berichtete ihr von Milevs Gruß. Sie zeigte sich entsetzt.
    »Das ist nicht gut«, meinte sie. »Erst Beine, dann Kopf von Pferd, dann du.«
    Eine gestaffelte Drohung also.
    Für den Nachmittag luden Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei zu einer Pressekonferenz ein. Schnack hatte die Einladung an mich weitergeleitet mit dem Hinweis: Die Bierstädter Polizei ist aufgewacht!
    Das Thema der Pressekonferenz lautete: Ungeklärte Kapitalverbrechen: Identität der Opfer steht fest.
    Ich durfte eine halbe Seite mit dem Thema füllen. Langsam gewöhnte sich mein neuer Chef daran, dass unsere Abonnenten Blaulicht-Geschichten lesen wollten. Den Pfad zur bräsigen Familienzeitung hatte er verlassen.
    Pöppelbaum und ich saßen in der Kantine beim Kaffee. Wayne hatte sich über Milevs Gruß an mich nicht besonders amüsiert gezeigt. Ich hingegen machte schon wieder Scherze. Cool bleiben, dachte ich, nur keine Schwäche zeigen.
    »Der Kerl soll abhauen«, sagte Wayne. »Er versetzt seine Leute in Angst und Schrecken, wenn sie nicht spuren. Unfassbar, dass die deutschen Behörden so was zulassen.«
    »Was soll die Polizei denn machen, wenn sich keins der Opfer über Milev beschwert?«, verteidigte ich die Exekutive. »Ich zeige ihn auf jeden Fall an – wegen Nötigung oder Ähnlichem.«
    »Das ist gut, Grappa. Was für Fotos packen wir morgen in die Zeitung? Pressekonferenzbilder allein sind doof«, meinte er. »Bärchen Biber hat aus Stolipinovo Fotos mitgebracht. Und Zitas Familie haben wir auch im Bild.«
    »Ja, sogar exklusiv«, nickte ich. »Mala sieht ja genauso aus wie Zita.«
    »Zwillinge eben«, stellte er fest. »Diese Todesfälle gehen mir voll an die Nieren, Grappa. Ich glaube, ich werde alt und jammerlappig.«
    »Ach, was«, widersprach ich. »Du schwächelst ein bisschen. Das passiert jedem mal. Erinnere dich, wie oft es mich schon aus den Schuhen gehauen hat.«
    »Du findest also nicht, dass ich mich verändert habe?«
    »Doch, doch«, antwortete ich. »Deine Kleidung ist flotter geworden und du achtest auch sonst mehr auf dein Äußeres. Und du denkst mehr nach über die Dinge, die uns jeden Tag begegnen.«
    »Ich konnte ja nicht ein Leben lang mit Rasta-Locken und in schwarzem Leder rumrennen. Aber das meine ich nicht mit Veränderung.« Er zögerte und fuhr dann fort: »Ja, ich denke mehr nach. Ich hab mehr Verständnis bekommen für Leute, denen es nicht so gut geht wie uns.«
    »Aha, Hinwendung zur Sozialromantik«, spottete ich.
    »Nein, keine Romantik«, widersprach er ernst. »Ich verstehe die Zusammenhänge langsam besser. Als ich zum ersten Mal in eine dieser stinkenden Wohnungen im Norden ging, hab ich gedacht: Was wohnen hier denn für Dreckschweine! Ich hab meine Fotos geschossen und gut war es. Als ich das erste Mal davon hörte, dass Väter ihre Töchter auf den Strich schicken, hab ich gedacht, dass diese Leute moralisch absolut verkommen sind. Aber so einfach ist das alles nicht.«
    »Na ja, einen Heiligenschein brauchst du aber auch nicht zu verteilen.

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