Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
Herstellung von Tötungs-Videos aber schon«, wandte ich ein.
»Stimmt. Aber es ist in vergleichbaren Fällen noch nie gelungen nachzuweisen, dass die Opfer in den Filmen real gefoltert und getötet wurden. Ein solcher Beweis ist nur möglich, wenn Cansu und Zita in den Filmen eindeutig zu identifizieren wären. Und wir haben einen solchen Film nicht. Und selbst wenn, dann wäre immer noch nicht klar, wer der Mörder ist. Der Kameramann, die Männer im Film oder wer?«
»Beihilfe zum Mord bringt auch einige Jahre«, erwiderte ich. »Körperverletzung mit Todesfolge oder was immer ein engagierter Staatsanwalt daraus macht. Das ist doch besser als gar nichts.«
»Auch damit hast du recht. Und deshalb habe ich einen Plan. Er wird dir nicht gefallen, weil du eine Tugend nicht hast: Geduld.«
»Ich kann mir deinen Plan ja mal anhören.«
»Eine Person unseres Vertrauens wird sich bei Wachtraum als neues Mitglied im Premiumklub anmelden. Und dann Hardcore bestellen und irgendwann nachfragen, ob es nicht noch was Schärferes gibt.«
»Hört sich gut an.«
»Das bedeutet aber, dass du Wachtraum in keinem deiner Artikel erwähnen darfst«, stellte Kleist fest.
Ich nickte. »Ja, die werden den Laden dichtmachen, wenn sie Lunte riechen. Und wer ist die Person deines Vertrauens?«
»Einer unserer ehemaligen verdeckten Ermittler. Inzwischen pensioniert. Er hat eine saubere und überprüfbare Vita. Wir werden ihm in den Akten noch eine kleine Vorstrafe verpassen wegen des Besitzes illegaler pornografischer Schriften. Er spielt den älteren, gut situierten Herrn, der seine geheimen Gewaltfantasien ausleben möchte und bereit ist, dafür zu zahlen. Das ist alles, was ich dir sagen kann.«
»Es kann Monate dauern, bis dieser Plan zum Erfolg führt«, grummelte ich nun doch. »Falls überhaupt.«
Kleist lächelte mich an. »Geduld, Maria!«
»Ich werde morgen über Zitas Tod schreiben und diesen Marko erwähnen, den sie angeblich geheiratet hat«, kündigte ich an. »Vielleicht meldet sich jemand, der ihn kennt.«
»Wir haben die IP-Nummer seines Rechners überprüft«, enthüllte Kleist. »Der Computer, von dem aus Marko den Blog bedient hat, steht in einem Internetcafé in der Nordstadt.«
»Es wäre ja auch zu schön gewesen«, seufzte ich enttäuscht.
Ohne Beine keine Flucht
Das Frühstück mit meinem gelegentlichen Liebhaber und guten Freund Dr. Friedemann Kleist bedeutete für mich fast immer einen entspannten Einstieg in den Arbeitstag. Ich stellte mich vor uns und sah ein friedliches Bild, das ein niederländischer Genremaler nicht besser hätte hinbekommen können: ein Paar älteren Datums, friedlich vereint im Garten sitzend, auf dem Holztisch ein Stillleben aus blauen Weintrauben, einem Apfel, dessen Schale wie eine Spirale vom Tisch hing, weißlich-grünem Käse und einem Krug Orangensaft.
Nur die Zeitung, die Kleist las, passte nicht ins siebzehnte Jahrhundert.
»Das ist ja interessant«, sagte er. »Ihr Frauen gebt doch immer ein Heidengeld für Schönheitscremes aus. Und dieses Lebewesen hat den Dreh raus. Hör mal: Die Qualle Turritopsis nutricula aus der Familie der Nesseltiere braucht keine Anti-Aging-Kuren und keine Faltencremes. Sie kann ihre Körperzellen verjüngen. Das Tier ist in der Lage, sich durch einen Zellwandlungsprozess in das Stadium der Kindheit zurück zuversetzen. Die meisten Medusen sterben direkt nach der asexuellen Fortpflanzung, nicht aber Turritopsis nutricula : Sie ist praktisch unsterblich und somit ein Phänomen in der Evolution.«
»Nicht wirklich schön«, kommentierte ich. »Sex mit sich selbst, nur ein langweiliges Meer, weder Wein noch Käse. Ich möchte keine Qualle sein.« Ich schob mir eine Weintraube in den Mund.
»Musst du nicht«, beruhigte er mich. »Forscher wollen dem Geheimnis der Turritopsis nutricula auf die Spur kommen und es für die Menschheit nutzbar machen. Das dauert aber noch ungefähr zwanzig Jahre – die sind also genau dann so weit, wenn bei dir die ersten Fältchen kommen.«
Wir verließen das Haus gemeinsam. Kleist hatte auf der Straße geparkt, ich im Carport. Wir winkten uns zum Abschied zu und ich schloss die Fahrertür auf – wie jeden Morgen. Doch etwas war anders. Es roch nach Verwesung. Ich hielt mir die Hand vors Gesicht. Im Halbdunkel der Holzwände nahm ich etwas Langes, Pelziges wahr, das auf der Kühlerhaube meines Cabrios lag. Entsetzt wich ich zurück.
Der Motor von Kleists Wagen lief schon. Ich stürzte auf die Straße und
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