Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
Fotos aus seiner Akte.
»Du hattest recht. Bei dem Kind handelt es sich wirklich um den Jungen, der euch zu der Leiche geführt hat. Ivo. Und jetzt entschuldigt mich bitte.«
Kleist entschwand.
»Ich alles erzählen«, sagte Ivana. »Geschichte sehr traurig.«
Wir beschlossen, einen Ortswechsel vorzunehmen.
Frau Schmitz wollte das Bistro gerade schließen, als wir anrückten. Sie ließ uns eintreten und sperrte den Laden zu.
»Danke, Frau Schmitz«, freute ich mich.
Bei Kaffee und einer Runde belegter Brötchen begann Ivana mit ihrem Bericht. Timocin Stojka hatte tatsächlich seine Frau Cansu auf dem Foto wiedererkannt.
»Cansu ist ein sehr schöner Name«, sagte Ivana. » Can heißt Leben und Su heißt Wasser, also Lebenswasser.«
»Bei uns bedeutet das etwas anderes. Eau de vie heißt hier Schnaps«, entfuhr es Pöppelbaum.
»Wayne!«, rief ich ihn zur Ordnung.
»Oh, Entschuldigung«, zeigte sich der Fotograf zerknirscht.
»Wo war Timocin die ganze Zeit?«, kam ich auf das Thema zurück.
»Er im Ausland arbeiten. Frankreich. Macht Feuer.«
»Feuer?«
»Sterne im Himmel.«
»Er ist wohl Feuerwerker«, interpretierte Wayne.
Ivana nickte und fuhr fort: »Cansu und Junge Ivo erst nach Bierstadt mit Bus mit Onkel von Cansu. Wollten später treffen. Aber Timocin nichts mehr gehört von seiner Familie. Kein Handy, kein Brief. Onkel letzte Woche nach Stolipinovo zurück – mit Ivo. Weil Mutter tot.«
»Der Onkel wusste, dass die Tote Cansu war?«, rief ich. »Warum ist er nicht zur Polizei gegangen?«
»Onkel Flugblatt gesehen und Angst bekommen. Und abgehaut. Ivo mitgenommen«, berichtete Ivana. »Timocin auch nach Plovdiv. Onkel gesucht und Flugblatt gesehen. Deshalb hier. Timocin will Polizei helfen.«
»Hat der Junge etwas gesehen? Kennt er den Mörder?«, fragte ich.
»Ivo sagt nichts. Gar nichts. Arzt muss kommen. Kind ist verrückt.«
»Eher verstummt«, murmelte ich. »Kein Wunder. Wer weiß, was der Kleine mitbekommen hat.«
»Timocin hat viel Wut. Will Mörder töten«, sagte Ivana.
»Dazu muss der erst mal gefunden werden«, stellte ich fest. »Hat der Onkel etwas mitbekommen? Weiß er, zu wem Cansu Kontakt hatte?«
Ivana schüttelte den Kopf. »Cansu nicht lange in Bierstadt. Sonst mehr Leute sie kennen.«
»Aber sie muss doch irgendwo gewohnt haben mit ihrem Kind!«
Ivana zuckte die Schultern. Die Geschichte schien ihr nahezugehen. Pöppelbaum nahm ihre Hand.
»Lass gut sein, Grappa«, bat er.
Frau Schmitz räumte das Geschirr zusammen. »Was ist mit dir, Frau Grappa, du machst ein Gesicht …!«
»Ich versteh einfach nicht, dass es so feige Menschen gibt. Da bekommt ein Onkel mit, dass man seine Nichte abgeschlachtet hat, und haut ab, statt zur Polizei zu gehen! Ein durchgeknallter Bulle überfällt eine Familie und schlägt alles kurz und klein und anschließend lässt sich das Familienoberhaupt mit Kohle zum Schweigen bringen! Es ist, als ob sich Angst und Schweigen in den Genen fortpflanzen.«
»Die Leute haben nix zu fressen«, entgegnete die Bäckerin. »Und wenn man nix zu fressen hat, macht man Sachen, die man sonst nicht machen würde. Und weißt du, warum, Frau Grappa?«
Ich wartete.
»Weil der Mensch nicht kaputtgehen will. Dat ist Natur, Frau Grappa. Moral ist allein ’ne Frage des Geldes!«
»Nicht bei allen. Dann wären arme Menschen ja grundsätzlich ohne Moral«, widersprach ich. »Und jetzt rücken wir Dimitar Milev auf die Pelle. Ich will wissen, warum er mit POM Krüger gemeinsame Sache gemacht hat.«
»Du willst zu Milev?«, fragte Ivana. »Milev gefährlich.«
»Mir wird er schon nichts tun. Ich muss ihn sprechen, denn er wird morgen im Tageblatt von mir geschlachtet. Weißt du, wo er wohnt?«
Ivana nickte.
»Wir zwei fragen ihn und du machst Fotos – aber so, dass er nichts merkt«, sagte ich Richtung Bluthund. »Und falls es Stress gibt, holst du die Bullen. Dann wird die Geschichte noch besser.«
Der Romapate hatte sich ein Gründerzeithaus unter den Nagel gerissen. Es war frei stehend, dreistöckig und von einem zwei Meter hohen Zaun aus Metall umgeben. Ich bemerkte Überwachungskameras.
In diesem Teil der Stadt kam die Müllabfuhr regelmäßig vorbei und Strom und Wasser gab es auch. Kein Vergleich mit den Müll-Häusern ein paar Straßen weiter.
Ich hatte meinen Wagen etwas entfernt geparkt. Pöppelbaum war abseits geblieben und verbarg sich in einem Hauseingang gegenüber der Villa des Clanchefs. So hatten ihn die Überwachungskameras
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