Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
nicht im Blick.
Ich winkte forsch in das Objektiv über dem Tor und betätigte die Klingel. Eine Männerstimme fragte etwas, Ivana antwortete in Roma.
»Milev will, dass wir reinkommen«, übersetzte sie. »Ich habe aber Angst, ins Haus zu gehen.«
»Ivana! Ich versteh den Mann doch ohne dich nicht.«
»Wir bleiben hier. Er soll rauskommen.«
Sie übersetzte. Zwei Männer, die aussahen, als wären sie Weltmeister im Kühlschrankweitwurf, traten durch die Haustür und schritten auf uns zu. Nette Jungs sehen anders aus, dachte ich. Zum Glück war immer noch das Gitter zwischen uns.
Einer herrschte Ivana an, sie blaffte zurück.
»Sag den Kerlen, dass sie Milev nur eine Frage ausrichten sollen, und dann sind wir auch schon wieder weg.«
Sie palaverte mit den beiden und meinte dann: »Was willst du wissen?«
»Die Frage ist: Wie viel Geld hat Milev von dem Polizisten dafür bekommen, dass er die Familia Zima verraten und dafür gesorgt hat, dass sie nach Plovdiv zurückgefahren ist?«
Den beiden schienen die Worte nicht zu gefallen, denn gleich nachdem Ivana übersetzt hatte, ging das Palaver wieder los. Schließlich verschwanden die Kerle im Haus, vermutlich, um ihren Boss zu informieren.
»Geh mal ein wenig zur Seite, damit das Foto nett wird«, raunte ich Ivana zu. »Für den Fall, dass Milev gleich persönlich erscheint.«
Und tatsächlich: Der Romapate trat in die Tür, schimpfte und gestikulierte. Ivana schrie ihm etwas zu.
Mein freundliches Winken machte ihn noch wütender.
»Und? Was sagt er?«, fragte ich.
»Wir sollen abhauen. Und nie wiederkommen.«
»Und was hast du ihm zugebrüllt?«
»Dass er ein schmutziger alter Mann ist, der in die Hölle gehört.«
Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass Milev mir ein Interview geben würde. Aber es war nun mal meine journalistische Pflicht, ihn zu den Vorwürfen, die ich zu erheben plante, zu hören.
»Hast du ihn erwischt?«, fragte ich Wayne, als wir wieder im Auto saßen.
»Klaro«, antwortete er. »Auch wie er mit den Armen rumwedelt und brüllt. Aber dürfen wir das Foto überhaupt bringen? Immerhin hat er nicht gemerkt, dass er abgelichtet wurde.«
»Das Recht am eigenen Bild gilt für verdammte Verräter nicht«, interpretierte ich das Presserecht neu.
»Na, na, Grappa«, meinte Wayne schräg grinsend.
»Der wird uns schon nicht verklagen«, prophezeite ich. »Dann bekäme er nämlich die Öffentlichkeit, die er auf keinen Fall haben will. Und ich würde mal seine Geschäfte überprüfen. Ist es nicht merkwürdig, dass der Kerl im Luxus lebt, während seine Leute in vermüllten Wohnungen ohne Strom und Wasser hausen?«
»Milev gehören Busse, die Leute nach Bierstadt bringen«, mischte sich Ivana ein. »Bruder von Zar Badi.«
»Wer ist Zar Badi?«, fragte Wayne.
»Ein Obermufti in Plovdiv«, erklärte ich. »Er schreibt neuerdings mit Bärchen Bibers goldenem Füllhalter.«
»Muss ich das jetzt verstehen?« Wayne war leicht verstört.
»Nein, lass mal«, winkte ich ab. »Wo soll ich euch beiden Hübschen denn absetzen?«
»Bei uns«, sagte Wayne und schaute Ivana verliebt an.
Aioli und Kopfkino
Schnack ließ sich schnell von meiner Idee überzeugen. Ein Polizist, der Zeugen besticht, war immerhin eine Geschichte – zumal wir die Sache exklusiv hatten.
Pöppelbaum konnte das, was ich schreiben würde, mit Fotos dokumentieren: Kalo Zima und POM Krüger im Gespräch, das Einsteigen der Familie in den Bus-Express nach Plovdiv und Dimitar Milev in der Tür seiner Villa mit seinen Drohgebärden.
Nach der Konferenz machte ich mich an die Arbeit.
Geld und zurück nach Plovdiv: Wie ein Polizist unliebsame Zeugen beiseiteschafft
– so die Überschrift.
Der suspendierte Polizeiobermeister Lothar K. hat einen neuen Freund. Er heißt Kalo Zima und ist das Oberhaupt einer Romafamilie aus Plovdiv, die bis vor Kurzem im Bierstädter Norden lebte. Unser Foto zeigt die Männer im freundschaftlichen Gespräch. Das Verhältnis der beiden war nicht immer so gut. Der Polizist hat Zima und seine Familie vor gut einer Woche nachts überfallen und verletzt. Er schlug den älteren Mann ins Gesicht (Foto) und vergriff sich an Zimas sechzehnjähriger Tochter Donka (Foto).
Der Staatsanwalt ermittelt, der Polizeipräsident hat K. vom Dienst suspendiert. Und nun hat der gewalttätige ehemalige Staatsdiener die Zeugen mit Geld bestochen und dafür gesorgt, dass sie die Heimreise nach Plovdiv antreten. Samstagmorgen packte die Familie ihre Koffer
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