Grappa und die Toten vom See
gefährden. Auch wurden Interviews für die TV-Sender verweigert, was allgemeines Murren erregte.
»So habe ich mir Informationsfreiheit immer vorgestellt«, seufzte ich.
»Deine Quelle ist doch viel besser als so ein verklemmter Staatsanwalt«, erinnerte Wayne. »Ich hab alles im Kasten. Lass uns abhauen.«
Zwei Stunden später war mein Artikel fertig.
Polizeirazzia: Böses Erwachen für die Neonazis in Bierstadt
Die Morgendämmerung erwachte, als die Polizei mit rund zwanzig Beamten das Zentrum der
Autonomen Nationalisten
stürmte. Zeitgleich wurden rund fünfzig Wohnungen durchsucht. Bei dem mit sechshundert Beamten bisher größten Einsatz des Polizeipräsidiums Bierstadt gegen Neonazis wurden auch Waffen beschlagnahmt – wir berichteten. Jetzt steht fest, wie gefährlich sie sind. Man fand illegale Kriegswaffen, Granatwerfer, Maschinenpistolen, Maschinengewehre, Sprengstoff, Chemikalien und in der Szene weitverbreitete Hieb-, Stich- und Schusswaffen.
Oberstaatsanwalt Dr. Pudel auf der Pressekonferenz: »Die Autonomen Nationalisten sind auf Bewaffnung und auf terroristische Gewalt aus. Die Sicherstellung von Waffen, Munition und Sprengstoffen gestern Nacht ist ein Indiz für eine zunehmende Militanz innerhalb der Szene.«
Die Behörden haben allerdings ein Problem: Häufig sind die beschlagnahmten Waffen legal, teilweise sogar in einschlägigen Internetshops der rechten Szene ganz einfach per Mausklick zu bestellen. Schlagstöcke, Messer, Baseballschläger, dazu schusssichere Westen, sogar GSG 9-Ausrüstung. Für einige der Waffen haben einzelne Neonazis einen Waffenschein.
Einer der Waffenshops im Internet wird übrigens von einem bekannten Neonazi mit besten Kontakten zum internationalen rechtsextremen Terrornetzwerk betrieben.
Schnack segnete den Artikel ab und zeigte eine menschliche Regung: Er gab mir den Rest des Tages frei.
Den nutzte ich zu einem Besuch bei Frau Schmitz. Sie war euphorisch, denn die Razzia war ganz nach ihrem Geschmack.
»Jetzt kriegen die Rechten mal richtig was auf die Buxe«, strahlte sie mich an. »Und die Nachbarn hatten auch Besuch vom Staatsschutz. Der Kerl wird mich nicht noch mal Schlampe nennen und mein Haus versauen.«
»Das wollen wir hoffen«, meinte ich. »Frau Schmitz, ich möchte noch mal den Schlüssel zu deinem Haus haben. Wir müssen mal nachsehen, was die Kamera aufgenommen hat.«
Sie kramte ihr Schlüsselbund hervor und nahm einen der Schlüssel vom Ring. »Ich hab schon dran gedacht, Frau Grappa. Solange diese Kamera da steht, gebe ich dir einen Zweitschlüssel, damit du nicht immer erst hier reinschauen musst, bevor du nachsehen kannst. Aber immer gut wieder abschließen.«
»Mach ich, Ehrensache.«
Ich schaute mir den Überwachungsfilm an. Die Aufnahmen waren unspektakulär. Die meiste Zeit passierte nichts auf dem Bild und ich konnte mit dem Schnelldurchlauf arbeiten. Ab und zu fuhr ein Auto die Straße entlang. Der Briefträger warf bei den Nachbarn Sendungen ein, Frau Schmitz erhielt heute keine Post. Leute führten ihre Hunde an dem Haus vorbei. Dann wurde es interessant. Zwei Männer traten aus Golombecks Tür, stiegen in ein Auto und fuhren weg. Wessen Auto war das? Das Kennzeichen konnte ich nicht erkennen, aber die Marke des Gefährts: eine große dunkle Limousine mit dreizackigem Stern.
Ich rief Frau Schmitz an: »Fährt Golombeck einen Mercedes, Frau Schmitz?«
»Nee, der hat so ’nen alten Opel Corsa.«
»Gut, das wollte ich wissen.«
Ich verließ das Haus, schloss gewissenhaft ab und sah mich um. Der schwarze Daimler parkte vor Frau Schmitzens Haus. Er war in München zugelassen. Ich notierte das Kennzeichen und kehrte nach Hause zurück.
Den Rest des Abends verbrachte ich vor dem Fernseher, nur in Begleitung einer Flasche Chianti, einem Glas Oliven, Brot und Käse. Die Fernsehmagazine berichteten ausführlich über die Razzia gegen die Rechten. Und in den Tagesthemen wurde bekannt gegeben, dass der Innenminister am Abend einige Neonazigruppen verboten hatte – darunter auch die Autonomen Nationalisten. Na also, dachte ich, geht doch.
Undercover im Fernsehen
Es war Samstag und ich hatte frei. Doch kein Grund, keine Recherchen anzustellen. Wem gehörte der Daimler? Ich versuchte es zuerst beim Zentralruf der Autoversicherer. Da gab ich mich als Mitarbeiterin des Polizeipräsidiums Düsseldorf aus und erzählte, dass wir Rechnerprobleme hätten und in einer Unfallfluchtsache ganz schnell den Halter eines Fahrzeugs ermitteln
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