Grappa und die Toten vom See
gegen die Tür brachten keinen Erfolg.
Pöppelbaum drängelte sich nach vorn, wurde jedoch zurückgepfiffen. »Bleiben Sie aus der Schusslinie, wir wissen nicht, wer sich im Haus befindet.«
Wayne gehorchte und schraubte ein Teleobjektiv auf.
Ein Rammbock wurde herbeigeschafft. Dann ging alles sehr schnell: Die Tür zersplitterte und fiel in den Flur des Hauses. Das SEK stürmte das Zentrum.
Zehn Minuten später wurden die ersten Neonazis aus dem Haus geführt – in Handschellen und einigermaßen kleinlaut. Manche verbargen ihre Gesichter vor den Kameras der Fotografen. Einer versuchte den Hitlergruß, bekam aber einen Hieb auf den Arm.
Anschließend schlug die Stunde der Spurensicherer. Sie schleppten Kisten ins Haus und brachten sie gefüllt mit Flugblättern, Transparenten und anderem Propagandamaterial heraus. Er folgten mehrere Computer und Wannen, aus denen die Läufe von Waffen ragten. Alles wurde in Polizeitransporter gepackt.
»Wir haben heute auch andere Treffpunkte und Privatwohnungen einschlägig bekannter Mitglieder der Autonomen Nationalisten durchsucht«, gab der Pressesprecher bekannt. »Die Aktionen sind zum Teil noch im Gang. Das vorläufige Ergebnis der Razzia wird Ihnen am morgigen Tag in einer Pressekonferenz mitgeteilt. Die Einladung dazu geht Ihnen schriftlich zu.«
»Super Show«, meinte Wayne. »Endlich ist mal was passiert. Bisher haben die Bullen ja so getan, als ob die Neonazis in Bierstadt nur ein bisschen spielen wollten. Dabei haben die sogar einen Killer in ihren Reihen.«
»Fragt sich nur, wer den Killer gekillt hat«, entgegnete ich.
»Das kriegen wir auch noch raus, Grappa«, lächelte der Bluthund.
Noch am selben Abend schrieb ich einen Kurzbericht über die Razzia für die Onlineausgabe.
Toter Killer identifiziert –
Er gehörte zur Neonaziszene in Bierstadt
titelte ich.
Daniel S. – so heißt der mutmaßliche Mörder vom Lago Maggiore. Er lebte bis zu seiner Ermordung in Bierstadt, und zwar im Stadtteil Dorstfeld, der für seine aktive Neonaziszene bekannt ist. Warum erschoss der junge Neonazi vier Menschen? Hat er allein aus Judenhass gehandelt oder hatte er einen Auftrag? Für Letzteres spricht, dass S. selbst zum Opfer wurde – und zwar unmittelbar nach seiner Tat. Er wurde mit derselben Pistole hingerichtet, mit der er selbst getötet hatte, einer P8 von
Heckler & Koch.
Heute Abend umstellten Sondereinsatzkommandos die einschlägigen Neonazitreffpunkte in Dorstfeld und beschlagnahmte umfangreiches Beweismaterial, darunter auch Schusswaffen. Mehrere Neonazis wurden festgenommen.
Chantal ließ ich unerwähnt, aber ich schilderte den Verlauf der Razzia, stellte die Fotos von der Tätowierung und vom Gesicht des Killers dazu und schaltete den Artikel scharf.
Das war ein aufregender Tag gewesen. Und er hielt für mich noch einen Höhepunkt bereit, denn Friedemann Kleist wartete in meinem Haus auf mich. Er hatte in meiner Küche und im Kühlschrank nach Essbarem gesucht und ein Mahl für zwei komponiert. Herausgekommen war ein Salat aus Kidneybohnen mit Zwiebeln und Kräutern aus dem Garten, Pasta mit Salbei, Olivenöl und Parmesan und Chicken Wings, die in meiner Tiefkühltruhe gelegen hatten, mit Chutney und Ciabatta.
»Du bist genial«, schwärmte ich.
»Danke, leider nicht immer. Darf ich einen Wunsch äußern?«
»Natürlich.«
»Lass uns essen und über alles reden – nur nicht über den Fall.«
Ich sah in seine müden Augen und stimmte zu, obwohl mir jede Menge Fragen auf der Seele brannten.
Geld und noch mal Geld
»In Schattos Wohnung haben wir eine Radfahrerkarte von der Gegend um den Lago Maggiore gefunden«, berichtete Kleist beim Frühstück am nächsten Morgen. »Der Weg durch den Wald von Pisano war mit einem Marker gekennzeichnet.«
»Und warum hat er die Karte zu Hause gelassen und nicht mitgenommen?«, fragte ich.
»Was weiß ich. Vielleicht hat er sie einfach vergessen oder hatte sich den Weg eingeprägt.« Kleist nahm den Toast aus dem Apparat.
»Warum rückt ihr erst jetzt damit raus, dass der Kerl diese eindeutige Tätowierung hatte?«
»Ich wusste das nicht. Die Italiener haben die Obduktion nicht in meinem Beisein durchgeführt. Die haben mir eine Menge verschwiegen – aber das weißt du ja.«
Ich zog die Brauen hoch. »Warum sind die nur so zögerlich?«
»Weißt du, in Deutschland sind wir es gewohnt, uns Asche aufs Haupt zu streuen und die Schuld am Holocaust als historische Verantwortung anzunehmen. Die anderen Länder,
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