Grappa und die Toten vom See
Eine Gruppe Männer in Naziuniformen auf der Bühne. E-Gitarren, Schlagzeug, Verstärker.
Kommentar: Diese Band heißt Morbus Hohn. Sie spielt in einem Jugendzentrum im Osten Deutschlands. Heute Abend vor ausgewähltem Publikum.
Hardrockklänge zum Ohrenabfliegen.
Der Sänger beginnt: Adolf Hitler, steig hernieder und regiere Deutschland wieder. Zum Himmel heben wir die Hand, für Führer, Volk und Vaterland …
Mehrere Zuhörer heben die Hand zum Hitlergruß und grölen: Sieg-Heil!
Kommentar: Dies sind Funktionäre der NPD.
Ranfahrt auf zwei Männer in Anzügen.
Kommentar: Sie sitzen in Kommunalparlamenten und werden aus Steuergeldern finanziert.
O-Ton Song: Adolf Hitler, steig hernieder und regiere Deutschland wieder …
Das Publikum singt feixend mit.
Der Sänger geht zu einer neuen Melodie über: Eine U-Bahn, eine U-Bahn …
Das Publikum singt weiter: … nach Auschwitz bauen wir.
Kommentar: Auch die NPD-Politiker machen mit und erheben die Hand zum verbotenen Hitler-Gruß. Wenn Neonazis glauben, sie seien unter sich, fallen die Hemmungen. Dann zeigen sie offen ihre Gesinnung, verstecken sich nicht hinter Worthülsen oder bürgerlicher Fassade …
»Wie gefährlich ist es für Sie, in diesem Umfeld zu filmen?«, fragte Hausberg. »Was würde geschehen, wenn diese Leute Sie enttarnen würden?«
»Man würde mich erschlagen oder erschossen in einem Straßengraben finden«, antwortete Bruns. »In Internetforen der Rechtsextremen wird mir unverhohlen mit Mord gedroht. Das klingt dann so: Wenn wir dich erwischen, dann stellen wir dich auf die Bühne – der Rest ergibt sich von selbst. «
Bruns nahm die Sonnenbrille ab und rieb sich die Augen. Dann erschrak er und setzte Brille schnell wieder auf.
»Das ist nicht Fellner«, stellte ich fest.
»Wie?« Nun hatte ich Waynes Aufmerksamkeit.
»Der Mann da auf der Bühne ist vielleicht Holger Bruns, aber nicht Fabian Fellner.«
»Du meinst?« Wayne stockte.
Ich nickte. »Ich hab mich veräppeln lassen. Bruns ist älter, kleiner und dicker als der Mann, der sich Fellner nennt und behauptet, Holger Bruns zu sein. Auch seine Stimme ist ganz anders. Ich werde mir den Mann mal genauer ansehen.«
Doch es war unmöglich, nach der Sendung an Holger Bruns heranzukommen. Der Gastbetreuer des Senders sorgte dafür, dass der Undercovermann unbehelligt – von wem auch immer – verschwinden konnte.
»Und nun, Grappa-Baby?«, fragte Wayne auf der Rückfahrt.
»Frag mich was Leichteres«, seufzte ich. »Wenn ich diesen Fellner erwische! Falls er wirklich Fellner heißt.«
»Warum macht der Mann das? Irgendeinen Sinn muss das schließlich haben. Warum gibt er sich als Freund von David Cohn aus? Immerhin hat er dir Infos gegeben.«
»Oder ich ihm«, stellte ich fest. »Und als er feststellte, dass ich auch nicht mehr weiß als er, hat er sich verpisst. Deshalb konnte ich ihn nicht mehr erreichen. So einfach ist das.«
»Aber er hat dich doch auf das Massaker in Meina gestoßen.«
»Das wusste die Polizei damals auch schon, denn sie hatte ja den USB-Stick«, widersprach ich.
»Und woher wusste er davon, wenn das offiziell noch gar nicht bekannt war?«
»Vielleicht hat er David Cohn ausspioniert. Oder er ist wirklich ein Freund Cohns. In diesem verdammten Fall spielen so viele eine falsche Rolle. Was hat der Opa vom Lago mit allem zu tun? Warum wohnt der bei den Golombecks? Was spielt diese Münchner Waffenschmiede für eine Rolle? Warum wurde Mahlers Haus auseinandergenommen und von wem?«
»Ich kann jetzt nicht mehr denken, Grappa«, gestand der Bluthund. »Nehmen wir irgendwo noch einen Absacker? Morgen ist Sonntag und wir können ausschlafen.«
Wir landeten in einer Eckkneipe im Norden. Der Weißwein kam aus dem Tetrapack und war lauwarm, aber das Bier zischte. Wayne atmete zwei Frikadellen ein und spülte mit Korn nach, um die Bakterien abzutöten. Ich hielt mich an einer Weinschorle fest.
So ging der Tag zu Ende. Ein Tag, an dem ich wieder mal erfahren hatte, dass vieles nicht so ist, wie es sich darstellt.
Testament des Auftragskillers
Der Weg zu Fellner führte über sein Handy, der Weg zur Identität des Lago-Mannes über die Waffenfirma.
Nach dem Frühstück rief ich in der Münchner Zentrale der Motte GmbH an.
Obwohl Sonntag war, wurde der Anruf angenommen.
»Hier Schneider. Einer Ihrer Firmenwagen hat mein Auto beschädigt und der Fahrer hat sich davongemacht. Bevor ich die Polizei einschalte, möchte ich versuchen, die Sache gütlich zu
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