Grappa und die Toten vom See
müssten. Das entlarvte mich.
»Netter Versuch«, sagte der freundliche Herr am anderen Ende der Leitung. »Aber Sie sind nicht die Polizei. Sonst wüssten Sie, dass wir gar keine Halterdaten haben. Wir haben nur die Versicherungsnummern.«
Ich merkte, wie ich rot wurde. Zum Glück konnte er mich nicht sehen.
»Tschüss«, sagte der Herr und legte auf.
Ich benutzte meinen Lippenstift, um mich in Stimmung zu bringen, legte eine Extraportion Charme in meine Stimme und rief Kleist an. Ob die Schminke half, weiß ich nicht, aber er ließ sich bezirzen. Das Auto war auf eine Firma zugelassen. Die Motte GmbH aus München.
Ich rief die Homepage der Firma auf und staunte nicht schlecht. Die Motte GmbH war eine große deutsche Waffenschmiede. Sie stellte gepanzerte Rad- und Kettenfahrzeuge, Minenräumsysteme, ABC-Schutzsysteme, Waffen und Munition für Panzer und Artillerie, Flugabwehrsysteme und Hochleistungsradare her und noch ein paar Dinge, deren Verwendung ich nicht wissen wollte.
Das nennt man volles Programm, dachte ich und klickte weiter. Die Firma war im Familienbesitz und gehörte zu den ganz großen Kriegswaffenhändlern in Europa. Achtzig Prozent des Gewinns fuhr das Unternehmen durch Waffenexporte ein. Natürlich alles legal.
Mich beschlich das Gefühl, etwas Wichtiges entdeckt zu haben, doch einordnen konnte ich es noch nicht. Die Motte GmbH war zu groß, um Bierstädter Neonazis mit Waffen auszustatten. Dass diese militanten Jungs Panzer oder Kampfjets in der Garage stehen hatten, mochte ich doch nicht glauben.
Mein Handy meldete sich: Pöppelbaum.
»Willst du immer noch mit Fabian Fellner reden?«, fragte er.
»Na, klar.«
»Der Publizist Holger Bruns tritt heute Abend in einer Fernsehdiskussion auf«, berichtete er. »In Köln. Livediskussion zum Thema Rechtsrock. Mit Publikum. Kannst du uns Karten besorgen?«
»Wayne, du bist genial!«, rief ich aus. »Ich kümmere mich drum.«
Eine Stunde später hatte ich über die Pressestelle des Senders erreicht, dass wir auf der Gästeliste standen.
Die Diskussion fand in einer ehemaligen Fabrik statt. Ein riesiger Monitor schwebte über der Gesprächsrunde. Der Moderator namens Hausberg galt als zupackend und kompetent. Die Gäste saßen auf roten Sesseln, Hausberg würde an einem Pult stehen – in seinem Rücken die Stuhlreihen mit dem Publikum.
Wir setzten uns auf die Presseplätze. Während der Sendung war Fotografieren untersagt. Doch daran hielt sich niemand. Zuschauer knipsten sich gegenseitig mit Handys fürs Familienalbum. Auch Wayne hatte natürlich eine kleine Kamera dabei, die auch ohne Blitz messerscharfe Bilder produzierte.
»Mich wundert echt, dass sich Fellner hier im Fernsehen zeigt«, sagte ich. »Der gefährdet doch seine Tarnung.«
»Noch dreißig Sekunden bis zur Sendung«, tönte es aus einem Lautsprecher. »Bitte Applaus, wenn Herr Hausberg erscheint.«
Die Erkennungsmelodie erklang und der Moderator trat hinter Stellwänden hervor, auf denen der Titel der Sendung zu lesen war: Klar und deutlich.
Braver Applaus. Die Gäste folgten Hausberg auf das Podium und wurden vorgestellt. Politiker der großen Parteien, eine Gewerkschafterin, ein Musikkritiker und schließlich der »Publizist Holger Bruns, der seit Jahren undercover in der Neonaziszene ermittelt.«
Ein Mann mit schwarzer Wollmütze, Sonnenbrille, Vollbart und buschigen Brauen kam auf die Bühne, grüßte in die Runde und setzte sich.
»Herr Bruns hat sein Äußeres verändert, weil er nicht erkannt werden will«, erklärte Hausberg. »Er arbeitet verdeckt und würde sich in tödliche Gefahr begeben, wenn man ihn identifiziert.«
»So geht es natürlich auch«, raunte ich Wayne zu.
Die Gäste gaben ihre ersten Statements ab. Natürlich waren alle gegen Rechtsextremismus und Rassismus.
Ich behielt Bruns im Auge. Wenn ich ihm so auf der Straße begegnet wäre, hätte ich Fellner nicht erkannt.
Er scheint geschrumpft und dicker geworden zu sein, dachte ich erstaunt.
»Die Konzerte der Neonazis finden im Geheimen statt«, erzählte Bruns gerade. »Vor mehr als zehn Jahren habe ich damit begonnen, solche Veranstaltungen mit versteckter Kamera zu filmen.«
»Und ein Video von Holger Bruns spielen wir jetzt ein, damit alle wissen, wovon wir überhaupt sprechen«, kündigte Hauberg an. »Film ab!«
»Der redet auch ganz anders als Fellner«, flüsterte ich verdattert.
Doch Wayne hörte mir nicht zu, sondern schaute zum Monitor.
Ein rauchgeschwängerter Raum. Publikum.
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