Grappas Gespuer Fuer Schnee
um nicht ganz gegen die hübsche Lady Cora abzufallen. Aber rund dreißig Jahre Altersunterschied und eine andere Gewichtsklasse waren nicht wegzuretuschieren.
Ich parkte meinen Wagen etwas abseits, aber noch so, dass ich den Eingang des Restaurants im Blick hatte. Ich wollte erst in Erscheinung treten, wenn die Edelhure bereits am Tisch saß und auf ihren Freier wartete – dann konnte sie nicht so schnell weglaufen, wenn sie mich sah.
Lady Cora kam pünktlich. Sie rauschte in einem kleinen, niedrigen Sportwagen an, schwang die langen Beine hinaus und stöckelte ins Restaurant.
Ich wartete noch eine kleine Weile und stiefelte dann hinterher.
Der Kellner fragte nach der Vorbestellung und deutete auf den Tisch. Lady Cora saß ein wenig abgewandt. Ihr Kopf hatte wieder diese kokette Haltung – leicht schräg gestellt und gesenkt.
»Guten Abend, Lady Cora«, sagte ich.
Sie schien verwirrt. »Ja, bitte?«
Ich lächelte sie an und ließ mich ihr gegenüber nieder. Sie blickte aus großen, klaren Augen zurück. Sie war perfekt geschminkt, strahlte Lebenslust und Selbstbewusstsein aus. Ihre Haut schimmerte und es wehte ein sehr dezenter Duft zu mir herüber. Sie erinnerte mich daran, wie ich mich gefühlt hatte, als ich neunzehn gewesen war.
Ich seufzte und zog das Foto aus der Tasche, das sie auf der Koksparty im Rathaus zeigte. »Das sind Sie doch, oder?«
Sie lag vornübergebeugt auf einem Schreibtisch, dahinter ein männlicher Unterkörper. Eindeutiger ging es nicht.
»Sind Sie von der Polizei?« Lady Cora strich nervös das Leder ihres Designertäschchens glatt.
»Nein. Grappa, mein Name. Vom Tageblatt. «
»Ich habe Sie schon mal gesehen.« Sie hatte sich wieder im Griff.
»Im Florian. Auf dem Fernsehturm«, bestätigte ich. »Sie saßen am Nebentisch und waren in Begleitung von Abdallah al-Murad. Er hat mir verraten, wie ich Sie finden kann.«
»Was wollen Sie von mir?«
Der Kellner war lautlos an unseren Tisch getreten. Ich bestellte ein Wasser und sie einen Martini rosso.
»Ich möchte ein Interview für meine Zeitung. Über die Drogen- und Sexpartys im Rathaus. Einen Insiderbericht.«
»Warum sollte ich das tun?«, fragte sie und ordnete ihr Haar.
»Die Frau, die die Fotos gemacht hat, ist ermordet worden«, entgegnete ich. »Und ich will den Mörder finden.«
Die Farbe des Martinis passte zu ihrem rostroten, knappen Kleid.
»Damit habe ich nichts zu tun.«
»Erinnern Sie sich an die Frau, die die Bilder geschossen hat?«
»Ich habe keine Lust, diese Frage zu beantworten.«
So kam ich nicht weiter. Ich musste ihr etwas bieten.
»Wenn Sie mir ein Interview geben, stehen Sie mit einem Schlag im Mittelpunkt des Interesses«, versprach ich. »Denken Sie, was sich daraus ergeben kann. Sie wären die Kronzeugin gegen die Politprominenz im Rathaus. Das bedeutet Fernsehauftritte mit fettem Honorar. Brisant, stern TV, RTL Explosiv und so weiter.«
»Dann bin ich meinen Job beim Escort-Service los.«
»Na und? Ist das denn so ein toller Job?«
Lady Cora überlegte. »Ich mache das ja nicht hauptberuflich. Nur ab und zu, um mir was dazuzuverdienen. Und bald ist die letzte Prüfung. Dann will ich sowieso aufhören bei der Agentur.«
»Sie studieren?«
»Ja. Betriebswirtschaft.«
Jetzt staunte ich. Ich hatte als Studentin Zeitungen ausgetragen, Nachhilfe gegeben und in einer Behindertenwerkstatt gejobbt.
»Ihren richtigen Namen werden wir natürlich nicht nennen«, versicherte ich. »Darauf können Sie sich verlassen.«
»Wenn ich im Fernsehen auftrete, erkennen mich meine Kommilitonen doch sofort«, überlegte Lady Cora weiter. »Aber das ist mir egal. Und mit meinen Eltern habe ich mich schon lange überworfen. Außerdem wohnen sie nicht in Deutschland.«
»Dann passt es ja«, strahlte ich. »Und jetzt essen wir etwas und unterhalten uns dabei.«
Das ging alles viel einfacher, als ich mir hatte träumen lassen. Wir bestellten und plauderten dann ganz entspannt. Das Gespräch von Frau zu Frau gelingt dir immer besser, Grappa, dachte ich und klopfte mir heimlich auf die Schulter.
Lady Cora hieß in Wahrheit Anna Wachowiak und war schon als kleines Mädchen aus Polen nach Deutschland gekommen. Ihr Deutsch war völlig akzentfrei – sie redete geschliffener als mancher Ruhri mit seinem reduzierten Code.
»Wie sind Sie zu dieser Agentur gekommen?«, fragte ich.
Lady Cora nahm einen Schluck Pinot Grigio und steckte die Gabel in den Rucola-Salat. »Eine Kommilitonin hat mir den Tipp
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