Grappas Gespuer Fuer Schnee
den perfekten Mord beweisen! Nicht zu fassen. Sind die Italiener denn verurteilt worden?«
»Erst sechs Jahre später. Die beiden bekamen sieben und fünf Jahre Haft. Doch nur wegen fahrlässiger Tötung und nicht wegen Mordes, obwohl alles perfekt geplant war. Dieser Strolch Ministerpräsident Silvio Berlusconi wollte die zwei sogar noch begnadigen, aber da spielte dann selbst das italienische Parlament nicht mit.«
»Wie auch immer – es ist ihnen jedenfalls nicht gelungen, den perfekten Mord zu verüben. Unser Täter und sein Komplize machen einen neuen Versuch«, grübelte Jansen. »Kennst du den Hitchcock-Film Cocktail für eine Leiche? Da töten zwei Studenten einen Kommilitonen – inspiriert durch eine Betrachtung ihres Lehrers über Mord als Kunst.«
Mir fiel etwas ein. »Jetzt verstehe ich auch den Sinn der ersten Mail. Alle Wege führen nach Rom. Marta Russo wurde in Rom ermordet.«
Perfektion hat kein Motiv
Hauptkommissar Kleist war nicht zu erreichen. Ich hinterließ eine Nachricht, dass er mich dringend anrufen sollte. Wenig später ermittelte Jansens netzkundiger Kontakt den Standort des Rechners, von dem aus die Mail gesandt worden war – es war wieder ein Rechner in der Universitätsbibliothek.
»Was soll ich schreiben?«, fragte ich Jansen.
»Gar nichts«, erklärte er. »Wir sollten erst reagieren, wenn die Polizei unsere These für denkbar hält. Langsam mache ich mir allerdings Sorgen.«
»Wieso das denn?« Ich verstand nicht.
»Grappa! Mörder ohne Motiv sind viel unberechenbarer als Mörder, die aus einem bestimmten Grund töten. Schau mal durch dieses Fenster nach draußen! Da steht vielleicht schon jemand und zielt.«
Ich schaute nach draußen. Die Fenster der gegenüberliegenden Gebäude verwandelten sich plötzlich in Schießscharten und die wenigen Menschen, die gerade aus dem Fenster schauten, in potenzielle Schützen. Schnell ließ ich die Jalousetten herab.
»Ich habe keine Angst«, behauptete ich trotzig. »Und jetzt rufe ich Brinkhoff an.«
»Brinkhoff?«
»Er ist wieder im Lande. Und da ich Kleist nicht erwische, will ich ihn um Rat fragen.«
Eine Stunde später saß ich mit Brinkhoff in einem Café in der Nähe des Verlagshauses. Hier waren die Mandelhörnchen nicht so knackig wie bei Anneliese Schmitz. Auch fehlte ihnen die Schokolade an den Enden.
Ich erzählte ihm von der Idee, hinter dem Doppelmord könne der Wahn der perfekten Tat stecken.
Aber Brinkhoff korrigierte mich: »Ein perfekter Mord ist das hier überhaupt nicht. Perfekt ist ein Mord nur dann, wenn das Opfer ganz normal beerdigt wird. Mit einem echten Totenschein. Keine Ermittlungen. Das ist der perfekte Mord. Woran Sie denken, das ist der Mord ohne Motiv.«
»Hm.« Mehr fiel mir nicht ein.
»Ich kenne den Fall Marta Russo«, sagte Anton Brinkhoff. »Er hat die Diskussion über den Mord ohne Motiv damals enorm angeheizt. Und über die Zwei-Klassen-Justiz. Die Angeklagten konnten sich die besten Anwälte leisten, haben hinter den Kulissen weiter die Fäden gezogen und Zeugen unter Druck gesetzt, bis die ihre Aussagen wieder zurückgenommen haben. Die Univerwaltung hat außerdem die Ermittlungen boykottiert und die wenigen Indizien, die auf die Täterschaft der beiden Männer wiesen, vernichtet.«
»Unser Mörder und sein Komplize, die wollen jetzt zeigen, dass es doch möglich ist, ungestraft jemanden zu töten«, beharrte ich auf meiner Theorie. »Was für ein widerliches Spiel.«
Brinkhoff sah aus dem Fenster. »Wissen Sie, was diesen Mördern einen Strich durch ihre Rechnung machen wird?«
Ich nickte. »Ihre Eitelkeit. Die beiden wollen für ihr göttliches Werk bewundert werden. Und deshalb werden wir sie kriegen.«
»Wen meinen Sie denn mit ›wir‹?«, lächelte der Hauptkommissar im Ruhestand. »Sie, mich oder Herrn Dr. Kleist?«
»Ist doch egal. Hauptsache, die Typen kommen nicht davon. Helfen Sie dabei?«
Nun lachte Brinkhoff. »Ich kann ja mal schauen, ob ich noch zu gebrauchen bin auf meine alten Tage. Aber Sie sind der Boss, Frau Grappa! Wie sieht Ihr Plan aus?«
Am Abend machte ich einen langen Spaziergang. Aber ein Plan wollte sich nicht bilden. Nur ein Vorhaben – am nächsten Tag würde ich die SPD aufsuchen.
Die Lady und der Adel
Das Parteibüro der SPD lag mitten in der City in einer kleinen Seitenstraße der Fußgängerzone. Über der Eingangstür prangten die fetten roten Buchstaben im Morgenlicht, im Schaufenster lenkte ein Foto des Vorsitzenden den Blick auf sich:
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