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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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Deutschen
Demokratischen Republik im Jahr 1953 erschien, verschwiegen wurde, kam
nachträglich dennoch ans Licht: als die Rassengesetze überall im Großdeutschen
Reich angewendet und zudem Ahnennachweise verlangt wurden, ergab sich für
amtlich besoldete Schnüffler, daß auch der Hirzel-Verlag, wie es hieß, jüdisch
versippt war, worauf man ihn arisierte, ein allerorts praktizierter Vorgang,
dessen Nutznießer noch fernerhin das Raubgut von einst vererben.
    Die
letzten Angehörigen der Verlegerfamilie emigrierten in die Schweiz, aus der
Salomon Hirzel stammte. Der Verlag jedoch setzte, als habe ihn kein Unrecht
getroffen, ohne auf den Namen zu verzichten seine Tätigkeit fort, wie auch die
Arbeitsstelle der Akademie weiterhin und unbekümmert vom Zeitgeschehen die
Nachlieferungen zu Band vier von geander bis Gymnastik beendete und zudem den
ersten Teil von Band elf von T bis teftig lieferte.
     
    Fragen
tun sich auf, die ohne Antwort bleiben, weil in keinem der vielen Briefe, die
zwischen Salomon Hirzel und den Grimmbrüdern gewechselt wurden, ein Wort oder
Nebensatz zu finden ist, der auf die Herkunft der Hirzeis hinweisen könnte.
Die judenfeindliche Tendenz in »Soll und Haben«, dem 1858 erschienenen
Erfolgsroman des Hausautors Gustav Freytag, der als befreundet mit den Hirzeis
galt und sogar Zitate zum Wörterbuch lieferte, wurde weder von Jacob noch von
Wilhelm kommentiert, obgleich der Familienname einer der Hauptpersonen des
Romans, Veitel Itzig, die Brüder zumindest an einen Vorgänger gleichen Namens
hätte erinnern können, denn ihr gemeinsamer Jugendfreund Achim von Arnim hatte
zur Zeit der napoleonischen Herrschaft, als sich ein Kreis Dichter aus romantischem
Überschwang gemeinschaftlich schwelgend in einer Tafelrunde gefiel, mit wüst
antisemitischen Thesen einen jungen Mann namens Itzig provoziert, der daraufhin
Arnim zum Duell aufforderte, was jener ablehnte: ein Jude sei nicht
satisfaktionsfähig.
    Bald
danach, im Befreiungskrieg gegen Napoleon, kam der beleidigte Itzig als
freiwilliger Soldat zu Tode; Achim von Arnim jedoch überlebte als Hauptmann der
preußischen Landwehr. Und gleichfalls überlebte das Schimpfwort Itzig, ohne
die Verlegerfamilie zu berühren, wie schon Karl Weigands Ausfälle gegen den
Wörterbuchkritiker Daniel Sanders hingenommen worden waren. Als deutschsinniger
Goethekenner, zudem protestantischen Glaubens, sah sich Salomon Hirzel
wohlmeinend dem Volk der Dichter und Denker verbunden, also jenseits aller
Gefahr durch beginnende Barbarei.
    Weil
aber während meiner Kindheit das Schimpfwort Itzig, was ich nicht ahnen wollte,
tödlich gewesen war, habe ich es in den Roman »Hundejahre« übertragen. In
dessen Verlauf wird der Vogelscheuchenbauer Eddi Amsel von einem Mädchen namens
Tulla Pokriefke als Itzig beschimpft, weil er es wagte, nach der Natur einen
reinrassigen deutschen Schäferhund, der an der Kette lag und eine Möbeltischlerei
bewachte, mit dem Zeichenstift zu porträtieren: haargenau von der Schnauze bis
zur Schwanzspitze.
     
    Im
deutschen Wörterbuch findet sich infolge des Buchstabens J, den Heyne betreut
hatte, gleich hinter Judas das Stichwort Jude. Der erklärende Kommentar sagt:
»die sociale und rechtliche Stellung der Juden ist gedrückt, wenn sie auch dem
schütze des reiches unmittelbar unterstehen und dessen kammerknechte heiszen;
sie müssen sich durch ein abzeichen ihrer kleidung absondern: dasz die jüden
einen gelben ring an dem rock oder kapfen allenthalben unverborgen, zu ihrer
erkandnusz, öffentlich tragen.«
    Diese
Information von altertümlichem Klang bezieht sich auf das Augsburger
Reformationsdokument aus dem Jahr 1530, konnte aber auch zukünftig beim Wort
genommen werden. Gleichfalls das folgende Zitat nach Zinkgref: »es were
groszer mangel an Juden, drumb wucherten die Christen.«
    Danach
geht es über sechs Spalten vom Judenbart und dem Judenbengel bis zum Judenwitz
und dem Judenzins.
    Dazwischen
wird die Judenfrage »wegen der politischen und sozialen Stellung der Juden«
gestellt. Eine Teilantwort darauf gab, bevor es zur »Endlösung« kam, die nicht
im Grimmschen Wörterbuch zu finden ist, die Arisierung des Hirzel-Verlages.
    Gleichfalls
mußten alle wissenschaftlichen Herausgeber, die in der Arbeitsstelle der
Akademie tätig waren, einen arischen Nachweis erbringen, aber nur einer von
ihnen, namens Hans Neumann, wurde eines jüdischen Großvaters wegen entlassen;
er überlebte die zwölf Jahre, sogar als Soldat den

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