Grass, Guenter
eine bestehende Verfassung dem Regenten und dem Vaterlande
geschworen hat, nicht einseitig desselben entbunden werden könne...«
Zum
Schluß des in ganz Deutschland in Umlauf gebrachten und überall ein
beglückendes Echo auslösenden Aufrufs hieß es, ohne daß von dem bis heutzutage
hier bemühten, dort mißachteten Wort Solidarität Gebrauch gemacht wurde: »Wir
fordern daher die Wohlgesinnten unsres deutschen Vaterlandes auf, anzuzeigen,
ob sie, wenn jene biedern Männer ihres Amtes verlustig werden sollten, zur
Erleichterung ihres harten Geschickes beitragen wollen, und bemerken, daß wir
auch die Unterzeichnung der kleinsten Gabe als ein äußeres Zeichen der
Anerkennung jener Idee annehmen und zu seiner Zeit den Beitrag einfordern
werden.«
Als
erster gab der Verleger Salomon Hirzel einen beträchtlichen Betrag, danach
spendeten Kaufleute, Professoren, ein Bankier, der Buchhändler Wiegand. Von
außerhalb floß Geld zu. Bald trafen ansehnliche Summen ein, die Jacob verwalten
und an alle von der Entlassung betroffenen Professoren vermitteln ließ.
Bis
zum Oktober blieben die Brüder getrennt. In Jacobs Briefen stand von den
Krankheiten seiner Schwägerin Marie und deren wunderlicher Mutter im Rollstuhl,
auch von des malenden Bruders Louis Absonderlichkeiten und viel über
regnerisches Wetter, aber nur Beiläufiges zum Wörterbuch zu lesen.
Wilhelm
berichtete vom sichtlichen Verfall der Göttinger Universität, über beflissene
Duckmäuserei und gehässige Nachrede: »Die Frau Hofräthin Langenbeck erzählt
hier wir würden von Frankreich aus besoldet. Es gehört eine classische
Niederträchtigkeit dazu, um sich so zu betragen.«
Seine
Klagen hatten bitteren Beigeschmack: Nur wenige Freunde seien geblieben.
Niemand wolle einen Ruf annehmen nach der Entlassung der Sieben. »Meinen Talar
mit Barett habe ich an Ritter verkauft.«
Das
muß schwergefallen sein, war es ihm doch einst lieb gewesen, von Ludwig Emil im
Talar aquarelliert zu werden; während Jacob schon vor Jahren gegen
professoralen Aufputz, gegen Barett und Talar polemisiert hatte.
Wilhelm
geizte in seinen Briefen nicht mit gesellschaftlichem Klatsch. Er beklagte die
Erkrankung der Tochter Auguste, Gustchen gerufen, und war besorgt, wegen der
hohen Kosten für den geplanten Umzug nach Kassel. Der zu erwartende Besuch
Bettines bekümmerte ihn, sie werde gewiß mit dem Wunsch anreisen, er, Wilhelm,
möge den Arnimschen Nachlaß betreuen, was er gewiß tun wolle, doch nicht
sogleich und sofort. Dem Bruder legte er einen Brief der gemeinsamen
Jugendfreundin bei und erklärte dazu: »Er enthält einen abenteuerlichen Plan.
Es geht bei ihr gleich ins Blaue u. in die Wolken hinein, darin hat sie einige
Ähnlichkeit mit Clemens.«
Nach
Wilhelms Umzug, und als ab November sicher war, daß keine Aussicht bestand, die
Amtsenthebung der Sieben rückgängig zu machen, also mit der Fortzahlung der
Gehälter nicht mehr zu rechnen war, beschloß das Leipziger Hilfskomitee, das
den entlassenen Professoren zustehende Gehalt bis zu einer festen Anstellung zu
zahlen.
Die
insgesamt 22 000 gesammelten Taler halfen bis zum Jahr zweiundvierzig, als
endlich Dahlmann, als letzter der Sieben, an Bonns Universität berufen wurde.
Von Anbeginn kam den Brüdern Hilfe zugute, auch wenn sie sich scheuten, Geld
anzunehmen. Bürgerlicher Stolz ließ sie zögern. Gewohnt, karg zu leben, wollten
sie keiner Person oder gar parteiischen Gruppen dankbar sein müssen. Deshalb
waren ihnen - Jacob wie Wilhelm - Zuwendungen von radikal demokratischer Seite
bedenklich, ja, unerwünscht. Ihrer Haltung wegen, die ihnen selbstverständlich
war, wollten sie nicht als Helden und Aufrührer gegen staatliche Ordnung
angesehen oder gar bewundert werden. Liberale Zirkel, ob in Frankfurt oder um
den Hamburger Verleger Campe, durften ihnen keinen Beistand leisten, denn die
von ihnen bewiesene Verfassungstreue wurzelte in konservativem Beharren.
Allenfalls erlaubten sie sich patriotische Bekenntnisse, die allerdings billig
waren, weil sie, kaum ausgesprochen, gleich Herbstblättern zuhaufgekehrt
wurden.
Immerhin
förderte die, wie ich sage, »solidarische Hilfe« eine mündliche, jedoch nicht
als bindend empfundene Annahme des Vertrages mit den Verlegern. In einem Brief
Jacobs an Wilhelm heißt es: »Wegen des Wörterbuchs kann man sich unmöglich noch
mit andern einlassen; auch sind dieser Reimer und Hirzel zu feine leute, als
dass wir hier übergrosse Schwierigkeit machen
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