Grass, Guenter
sich
von alt, Alter herleiten, aber dennoch mit A und E auf Unterschied bestehen.
Er
weiß als Quellenfischer dazu Beispiele, die mit Zitaten einzurahmen sind.
Indessen Wilhelm aus seiner Stube heraus das Märchen »Die Erbsenprobe« erzählt,
um, von der gelbtrocknen Hülsenfrucht abgeleitet, den älteren Grimm einen
emsigen Erbsenzähler zu nennen, nimmt dieser Luther beim Wort, der in seinem
Bibeldeutsch »durchgehends helle« für Hölle setzt. Gleich darauf teilt er des
Bruders Meinung, daß »glaubenseifrige theologen« vom O in Hölle »nimmer lassen
wollen«, weshalb die Rückkehr zu ursprünglichen Schreibweisen, so insgesamt sie
vonnöten sei, selbst bei den Leipziger Verlegern kaum Gehör finden könne;
bestehe er weiterhin auf »helle«, werde ihm Eigensinn nachgesagt werden.
Dem
entsprach der Briefwechsel. Jacobs Ermahnungen blieben weitgehend erfolglos.
Zwar wollten Karl Reimer und Salomon Hirzel des wissenschaftlichen Anspruchs
wegen die oft ausschweifenden Einleitungen zu einzelnen Stichwörtern nicht
missen, etwa bei dem Zahlwort ein, das in dreißig belehrenden Spalten mit dem
lateinischen unus, dem niederländischen een und dem gotischen ains erschöpfend
ausgelegt wurde - denn mit dem papierfressenden Heißhunger der Grimmbrüder und
ihrem Eifer, jedem Stichwort erklärend Beihilfe zu leisten, war zu rechnen
gewesen -, aber eine grundlegende, weil den Ursprung eines jeden Wortes
bedenkende Rechtschreibreform würde, so hieß ihr brieflicher Einwand, »jeden
zukünftigen Leser als Käufer abschrecken«. Man müsse mit Verlust durch Abbestellungen
rechnen. Die zu erwartende Einbuße werde den Verlag empfindlich leiden und die
Erträge erheblich sinken lassen. Zu übereifrig sei Jacobs Eigenwille, was die
Entlastung des doppelten E betreffe. Eher sei man bereit, die Kleinschreibung
hinzunehmen, wenngleich es an Einwänden überall lauernder Schriftgelehrter
nicht fehlen werde.
Dann
kam es, den Verlag betreffend, zu einer einschneidenden Veränderung. Karl
Reimer entschloß sich auszuscheiden. Er wollte mit eigenem Verlag tätig
werden. Doch an der Edition des Wörterbuchs änderte sich wenig. Als Salomon
Hirzel, der sogleich die Drucklegung übernommen hatte, am 3. Januar 1852, mit
Blick auf den 4. - Jacobs siebenundsechzigsten Geburtstag -, den ersten
Korrekturbogen nach Berlin schickte, schrieb er dem älteren Grimmbruder: »Ich
gebe mir alle Mühe mich an das sz zu gewöhnen, aber es sieht mich noch immer
ganz fremdartig an, und das alte gute fs, das sich noch in Ihrer Geschichte der
deutschen Sprache so hübsch druckte, tritt mir immer vor die Augen.«
Jacob
blieb beim sz. Er strapazierte die Geduld seines Verlegers, indem er
zusätzliche Neuerungen verlangte: »den strich hinter flusz- bei flusz- und
Ortsnamen will ich meiden und schreiben fluszundortsnamen. das wird zwar
auffallen, ist aber das einzig rechte und durch die Schreibung vierundzwanzig
längst gerechtfertigt.«
In
einem weiteren Brief wurde er noch deutlicher: »machen Sie mir, nachdem Ihren
einwänden zu liebe ich fast alle meine Vorsätze für die reformation unsrer
Orthographie aufgegeben habe, das herz nicht schwer mit dem fs, das Sie ein
altes, gutes nennen, für wie alt denn halten Sie es? und gut ist es nicht, weil
es eine lüge in sich enthält, wir nennen es eszet, schreiben es in sogenannt
deutscher schrift fs und lösen es im lateinischen druck, seit man begann das
lange f mit s zu vertauschen, unbedacht auf in ss. schriebe ich muss, anstoss,
das würde Ihnen keinen geben, aber sz gibt ihn. gegen fs entscheidet die Unmöglichkeit
es in majuskel auszudrücken, wie sz in SZ.«
Da
diese und weitere Unstimmigkeiten noch kürzlich einen regelrechten
Rechtschreibekrieg zu entfesseln vermochten, der die Nation nervte, erregte,
schließlich wie einst der Kalte Krieg entzweite, und weil die neuerlichen
Edikte auch mich und die Schreibweise meines Familiennamens betreffen, soll
hier als entschieden gelten, daß ich beim umstrittenen daß weiterhin aufs eszet
setze, aber Grass in Druckschrift mit doppeltem s, handschriftlich jedoch mit
einem ß enden lasse. Mein Vater hingegen unterschrieb in jener alten
Schreibweise, die Salomon Hirzel so hübsch gefunden hatte, und deren
langgezogenes f irrtümlich als f angesehen wurde. Wie tröstlich, daß jenseits
des Entwederoder noch weitere Möglichkeiten offenstehen. Mir jedenfalls
bereitet es Vergnügen, meinen Namen mal so, mal so scharf ausklingen zu lassen,
vielleicht weil
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