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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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hatte.
    Lange
standen Yasar Kemal und ich auf der Bühne. Er riesengroß, ich abgestuft
daneben. So isoliert wie brüderlich. Wir spürten sich hinter undurchlässigem
Dünkel verschanzende Abwehr. Haß mochte Pupillen verengen. Uns berührte das
nicht.
    Als
wir den Saal der Paulskirche verließen, erklärte ich dem gefeierten Preisträger
das umlaufende Wandbild des Malers Grützke. In ermüdender Prozession schleppen
sich die Abgeordneten der historischen Paulskirchenversammlung hin. Eine
endlos anmutende Strecke lang. Der Umzug der Vergeblichkeit. Die zur Schau
gestellte Ohnmacht. Lauter ehrenwerte Männer. Unter ihnen Schriftsteller und
Gelehrte, so Ludwig Uhland und Jacob Grimm.
     
    Als
er die Nationalversammlung verließ, wird er seinen Rückzug nach Berlin als
Niederlage empfunden haben, vielleicht aber auch als befreienden Schritt. Fürs
Parlamentieren fehlte ihm jene Ausdauer, die den Brüdern als gelehrten Stubenhockern,
Zimmer neben Zimmer, wie angeboren war; sie lebten im Zwiegespräch mit und
zwischen ihren Büchern, allerdings nicht mehr in der Lennestraße mit Blick auf
Bäume im Wechsel der Jahreszeiten.
    Der
mittlerweile erwachsenen Kinder wegen waren sie in eine größere Wohnung in der
Dorotheenstraße nahe dem Brandenburger Tor umgezogen, wieder günstig in Nähe
zum Tiergarten gelegen. Doch Wilhelm, der zuständig für wirtschaftliche Belange
war, hatte, weil abgelenkt durch den Frankfurter Germanistentag und zudem geplagt
von anhaltender Magenverstimmung, versäumt, pünktlich die Miete zu zahlen.
Fristlos wurde ihnen gekündigt. Gedrängt zum Umzug mit tausend und mehr Büchern
sahen sie sich von anhaltender Unruhe bedroht.
    Übereilt
und diesmal ohne Bettines Hilfe mußte eine neue Wohnung gesucht werden. In der
Linkstraße Nummer 7 wurden geeignete Räume gefunden, wiederum mit
Gelehrtenstuben dicht bei dicht; sie sollten die letzten der Grimmbrüder sein.
     
    Von
dort aus lag der Tiergarten um wenige Straßen entfernter. Wenn sie ihn dennoch
aufsuchten, dann von Dorothea aufgescheucht und der neuerlichen und nach so
viel politischen Enttäuschungen um so eifriger betriebenen Wörtersuche wegen.
Endlich sollten erste Lieferungen zum Buchstaben A auf den Weg gebracht werden.
Aber vermutlich blieben sie nebendrein allen Buchstaben hörig.
    Jacob
legte, weil immer noch von der Paulskirchenerfahrung bedrückt, Wortfelder an,
auf denen, von Zitaten umrankt, Drangsal und Irrsal, Löbsal und Mühsal mit dem
Schicksal in Reihe standen. Auf anderem Feld gediehen Anmut und Armut, Demut
und Frohmut, Sanftmut, Schwermut und Unmut. Wilhelm jedoch war bei
selbstbeschränkter Wortfindung, beim D geblieben.
    Mag
sein, daß er über deuten, deutlich auf jenes zwar bedeutsame, aber politisch
kaum faßliche Wort deutsch gekommen ist, angestoßen vom kürzlich noch heftig
umstrittenen Wunschobjekt Deutschland.
    Sollte
sich das Vaterland, wie von Jacob gewollt, kleindeutsch unter Preußens Führung
einigen? Oder eher großdeutsch, Osterreich einbegriffen?
    Jedenfalls
konnte, was dieses Stichwort betraf, ein aus Vorzeiten nachhallender Zwist
belegt werden. In dessen Verlauf war es besserwisserisch darum gegangen, ob
der Einsilber deutsch von den Teutonen hergeleitet, tiusch, später teutsch,
also mit t anlauten sollte oder mit d, weil vom gotischen und noch
althochdeutschen diot stammend, so daß sich ein jeder zum deutschen Vaterland,
zum deutschen Wesen, zu deutschen Frauen, zum deutschen Wein und Lied bekennen
möge; wenngleich bei Walther von der Vogelweide und im Verlauf des
Nibelungenlieds tiusch und tiutsch zu finden ist.
    Weil
Jacob sich gegen Ende des Revolutionsjahres verbittert und an der Zerrissenheit
Deutschlands leidend in seine Gelehrtenstube zurückgezogen hatte, sehe ich
nunmehr wie hinter Dunstschleiern, doch deutlich sobald ich die Augen schließe,
Wilhelm im winterlichen Tiergarten unterwegs. Er verweilt hier und da. Bei
leichtem Schneefall hinterläßt er Spuren und sinnt, wenngleich frei von anderswo
gehegter Deutschtümelei, dem Deutschtum nach oder der Deutschheit, die bei
Oswald von Wolkenstein noch »teutschikait« heißt.
    Oder
wird ihm schon jetzt Goethes Bewertung zitierbar, »die englische poesie hat
eine gebildete komische spräche, welcher wir Deutschen ganz ermangeln«, so daß
er später, mitsamt dem vollständigen Zitat, »das deutschkomische liegt
vorzüglich im sinn, weniger in der behandlung«, das Adjektiv deutschkomisch
ins Wörterbuch aufnehmen kann?
    Andererseits
deutet

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