Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
Vom Netzwerk:
photographierter Pose als Markenzeichen
zu verbreiten.
     
    Salomon
Hirzel bedankt sich bald nach Wilhelms Tod in einem Brief, datiert am 17.
Februar 1860, für die endlich zur Korrektur fertige Einführung in den zweiten
Wörterbuchband. Zudem äußert er den Wunsch: »Darf ich unverschämt sein und
aussprechen, woran ich denke? Für den hypochondrischen Hildebrand wäre es, wie
ich ihn kenne, eine Stärkung im Selbstvertrauen, wenn seiner unermüdlichen
Hilfe, die bei dem Buchstaben >d< oft wirklich bis zur Mitarbeit ging,
mit einem Wort der Anerkennung gedacht würde.«
    Da
taucht er wieder auf: der Lehrer an der Leipziger Thomasschule ist
nebenberuflich in Hirzeis Verlag tätig. Wie nachzulesen ist, folgte Jacob,
sonst mit Lob geizend, dem Wunsch des Verlegers und vermerkte den leidenschaftlichen
Korrektor im Schlußteil seines Vorwortes.
    Er
wußte, daß Rudolf Hildebrand mittlerweile, entweder aus eigenem Antrieb oder
von Hirzel dazu ermuntert, einem Buchstaben auf der Spur war, der das G, das H,
das I und das J übersprang. Diesen Sprung wagte er mutwillig und eigenmächtig,
kaum mit Jacobs Einwilligung, der jeglichen Gedanken an Nachfolge und
Fortsetzung der Arbeit ohne seine bestimmende Federführung verboten hatte.
Dennoch gibt es Hinweise, die zumindest vermuten lassen, daß er den vom Fleiß
getriebenen Zuarbeiter, der seinem allzu saumseligen Bruder über die
Wortstrecken des D hinweggeholfen hatte, im Auge behielt.
    In
einem kurzgehaltenen Brief vom August, geschrieben bevor er nach Bad Ems in Kur
ging, teilt er Hirzel mit: »vorher sende ich Ihnen noch allen meinen vorrath,
p. 1639-1670 und füge F zettel bei, die der ordner wol noch einschalten kann,
auch ein paar K zettel für Hildebrand, leben Sie wol, ich bin etwas unsicher an
mir geworden.«
    Also
nahm er Hildebrands eigenmächtigen Zugriff auf den Buchstaben K hin. Er
unterstützte ihn sogar mit K-Zetteln, vielleicht in der Hoffnung, sich nach dem
F unbehelligt dem Buchstaben G zuwenden zu können, beginnend mit dem gelinde
stummen Kehllaut.
    Die
im Brief angekündigte Sendung umfaßte Erstling bis ertülpen, Beiträge für den
dritten Band des Wörterbuchs. Was die für Hildebrand beigelegten K-Zettel
betraf, könnte das Stichwort Kammer, entlehnt dem lateinischen camera,
dazugehört haben, hatten sich doch Wilhelm und er als Knaben, Schüler, noch als
Studenten eine Schlafkammer geteilt. Leibhaftig nah lagen sie beieinander, als
wären sie eins gewesen, durch nichts zu trennen, wie von einem Atem.
     
    Jacobs
Eingeständnis seiner Verunsicherung, die dem Abschiedsgruß an den Verleger
dranhing, wird wohl mehrere Gründe gehabt haben. Zum einen fehlte ihm der
Bruder wie ein Teil seiner selbst, zum anderen vereinzelte ihn zunehmende
Schwerhörigkeit. Je mehr Wilhelms Witwe und deren Tochter um ihn besorgt waren
und ihn, der sich laut wehrte, mit übereifriger Fürsorge bedrängten, um so
tiefer vergrub er sich inmitten Büchern, tausend und mehr, hinter denen die
Brüder im Verlauf der Jahre gleich einem Festungswall Schutz gesucht hatten und
die er nun, seitdem ihn Wilhelms Stube als überfülltes und dennoch entleert
anmutendes Gehäuse erschreckte, hin- und hertrug, in immer neue Ordnung
brachte, besorgt, was mit ihnen geschehen werde, wenn eines nicht mehr fernen
Tages...
    Zusätzlich
waren es geringere Anlässe, die dazu beigetragen haben mögen, ihn zu verunsichern.
Vieles ging im Sommer sechzig daneben. Er galt als verregnet. Nur selten lud
der Tiergarten ein. Die Stadt und deren Getriebe ödete an. Jacob fühlte sich
fiebrig. Die Kur in Bad Ems schlug fehl. Irgendetwas mangelte immer. In Leipzig
war, wie der Korrektor Hildebrand beteuerte, ein Revisionsbogen samt Jacobs
Eintragungen verlorengegangen. Der aber kam endlich doch noch ans Tageslicht,
was ein Telegramm bezeugte: »Hirschfeld hat die correctur wiedergefunden«.
    So
konnte des Druckers Schlamperei vergessen, die Arbeit endlich fortgesetzt
werden, doch erst gegen Ende Oktober schreibt er: »ich gebe der heutigen
correctur neues msp. 1725-1780 mit und bin froh aus dem >erz< erlöst zu
sein, obschon ich in das sehr häcklige >es< gerathe.«
     
    Da
ist es wieder. Wir kennen es schon: Es regnet, es kommt nicht an, es reicht,
stinkt mir, es nimmt kein Ende. Nahm es aber doch. Denn zu Beginn des folgenden
Jahres meldet er: »hierbei schicke ich den schlusz des E, welcher meiner
ansieht nach den bogen 75 fast ausfüllt, lassen Sie den setzer berechnen, wie
viel jetzt noch leer bleibt,

Weitere Kostenlose Bücher