Grass, Guenter
griff und schiff geflucht hat -
»nur inlautend kann man sich nach kurzem vocal ff gefallen lassen« -, fügte
dann aber doch unter Punkt elf des Vorworts zum besagten Buchstaben das ff
ein, »etwas aus dem ff thun, will sagen: mit nachdruck ausführen«; denn so,
oder eher unter Zeitdruck, hat er sich schließlich den dritten Band des
Wörterbuchs abgerungen.
Verzögert
kam er aus mehreren Gründen. Der Korrektor Hildebrand hatte auf Jacobs Wunsch
den Druck der »Weistümer« zu betreuen, was Zeit fraß. Eine Bahnreise nach
München und sonstwohin, zu der sich der alte Jacob überredete, als hätte ihn,
der anders als Wilhelm gerne reiste, noch einmal das Fernweh getrieben, und von
der er, weil es in Nürnberg »regnicht war«, verschnupft und fiebrig heimkehrte,
raubte ihm abermals Tage und brachte nichts ein außer Philologengerede. Als
dann der dritte Band endlich erschien, enthielt er zwar alles, was dem
Buchstaben E anhängt, und vieles, was bis zum Stichwort Forsche mit F anlautet,
doch fehlte peinlich, was dem Verleger versprochen worden war, das Vorwort.
Danach
kam nichts mehr oder nur wenig. Es dauerte Monate, bis er den Übergang von Forsche
für den Beginn des vierten Bandes lieferte und mit dem ungebräuchlich
gewordenen Forschel, nachgewiesen als Förschelverfahren für
Inquisitionsprozesse, auf forschen, Forscher, Forschung kam. Dazu fielen ihm
beispielhaft nur »geschichtforschung, sagenforschung, Sprachforschung« ein,
nicht aber die Naturforschung, wie sie Alexander von Humboldt betrieben hatte
und der im fernen England ein Zeitgenosse nachging, dessen Evolutionslehre
einen Streit auslöste, der alle Religionen und deren Schöpfungsgeschichten in
Frage stellte oder gar als kindisches Fabulieren abtat. Dem folgte heftiger
Wortwechsel, der bis heutzutage nachhallt, denn aus frommer Sicht soll Gott
immer noch in sechs Tagen alles, was »kreucht und fleucht«, fix und fertig
hingekriegt haben.
Dabei
hätte Jacob Grimm in Charles Darwin einen Bruder im Geiste erkennen können.
Wie jener den fortwährenden Wandel der Arten, ihr Entstehen, Absterben durch
natürliche Auslese, ihr Überleben bei geschickter Anpassung an veränderte
Verhältnisse beobachtet und bewiesen hatte, so sind dem Sprachforscher Grimm
Lautverschiebungen, Wortverlust und Wortwandel vom Sanskrit bis in seine sich
mehr und mehr verflüchtende Gegenwart gewiß gewesen. Weshalb im Wörterbuch,
weil Darwin auf den Galapagosinseln verschieden gearteten Finken begegnet war,
gleich nach dem Fink, und dem althochdeutschen finco folgend, inmitten der
Aufzählung blutfink, brandfink, distelfink, mistfink durchaus der Darwinfink
hätte Nahrung finden können, denn »wer finken fangen will, musz ihnen zuvor
körnen«.
Aber
in seiner Freude am Zitieren nahm Jacob weder Humboldts noch Darwins Schriften
zur Kenntnis; wahr sprachen ihm einzig die Dichter von Walther von der Vogelweide
bis Goethe, auch gerade noch Jean Paul, der das Treiben auf dem »finkenherd«
mit dem hexischen Treiben auf dem Blocksberg vergleicht.
Dennoch
will ich mir vorstellen, wie der Sprachforscher und der Naturforscher, weil
beiden beim Gehen in freier Natur die Gedanken zuflogen, einander in einem
weitläufigen Gelände hätten begegnen können, vergleichbar dem Berliner
Tiergarten oder einer englischen Parklandschaft, die mir gestrichelt und
koloriert vor Augen ist, und schon sind sie wie nach Fingerschnalz da.
Der
eine, weit jünger als der andere, wirkt, weil oben bald kahl und mit buschig
die tiefliegenden Augen überdachenden Brauen, dem Rauschebart und seiner von
Krankheit gezeichneten fleckigen Haut, ältlicher als der andere, der,
wenngleich hohlwangig, weißhaarig und gekrümmt, zwar einen Greis verkörpert,
aber dennoch jugendlich anmutet; das lese ich Photographien ab, die mir zum
Vergleich vorliegen.
Noch
schweigen beide, während sie Schritt vor Schritt setzen. Nun stehen sie am Rand
einer Wiese, auf die Bäume Schatten werfen, vor einem frisch umgegrabenen Beet,
das Gartenarbeiter zur Bepflanzung vorbereitet haben könnten: für eine Hecke
Rosen womöglich. Nah und ferner stehen altwüchsige Eichen einzeln, Buchen in
Gruppen. Eine Blickachse führt zum leicht gehügelten Horizont hin, den zierlich
ein Pavillon in Gestalt eines Tempelchens überragt.
Immer
noch bleiben sie maulfaul, fremdeln, wollen nichts voneinander wissen. Nach
bewährter Methode versuche ich, das herbeigewünschte Paar mit einem Stichwort
zu verlocken, damit sie ins Gespräch
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