Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
Vom Netzwerk:
Krieg nach Urteil der Vorsokratiker der Vater aller Dinge und nach
Clausewitz die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Ich aber will
alles, was im Wörterbuch ferner dem Krieg anhaftet, überspringen, nur kurz auf
jenen Krieg kommen, der mich trotz der von Rudolf Hildebrand gerühmten
Kriegskunst das Fürchten lehrte, dann aber sogleich auf Kriege, die bis in die
Gegenwart reichen und nicht enden wollen, zumal der Frieden, das andere
Stichwort, dem Jacob Grimm noch Sorge getragen hatte, nur immer zwischen den
Kriegen fristet.
     
    Ich
überlebte zufällig. Und nach dem Abwurf von Atombomben auf zwei japanische
Städte, einem weiteren Kriegsverbrechen, das jedoch nicht zählen durfte, weil
von Siegern verübt, sollte endlich Frieden die Welt beglücken.
    Bald
begann aber der Kalte Krieg, den der heiße in Korea begleitete. Die Großmächte
zettelten Stellvertreterkriege an. Im Nahen Osten haben mehrere Kriege, darunter
Blitzkriege, nur eingefleischten Haß genährt, doch weder Israelis noch
Palästinensern Frieden gebracht. Und als der Staat Jugoslawien
auseinanderbrach, sahen die kriegsmüden Europäer zu, wie Serben und Kroaten
einander bekriegten und die Serben dabei, wie beiläufig, ihre Nachbarn moslemischen
Glaubens abschlachteten.
    Zuviel
geschah gleichzeitig. Kaum hatte sich mein Land, das kriegsbedingt vierzig
Jahre lang geteilt war, auf dem Papier geeinigt, ging es fernab wieder einmal
ums Ol, was zum Krieg führte, der wiederholt wurde. Golfkriege, in deren
Verlauf ferngelenkte Raketen meistens trafen; was danebenging, wurde als
Kollateralschaden verbucht.

Gegen
diese Kriege sprach sich Ohnmacht in Protesten aus. Auch ich schrieb gegenan,
wiederholte Klagegesänge, Jeremiaden, der Literaten vergebliche Wehrufe. So im
Jahr 2003, als ich vor neuer Kriegsgefahr in der Golfregion mit einem Matthias-Claudius-Zitat
warnte:
    »'s
ist Krieg! s' ist Krieg!
    O
Gottes Engel wehre,
    Und
rede Du darein!
    's
ist leider Krieg - und ich begehre
    nicht
schuld daran zu sein!«
    Und
im Mai des Jahres 2006 sprach ich vor den Kongreßteilnehmern des
Internationalen P.E.N. in Berlin. Im Verlauf der Rede, die zwangsläufig den
anhaltend mörderischen Krieg im Irak zum Thema hatte, zitierte ich aus dem
Gryphius-Sonett »Threnen des Vatterlandes« und danach aus Martin Opitz' »Trost-Gedichte
in Widerwertigkeit deß Kriegs«:
    »Die
grosse Sonne hat mit jhren schönen Pferden
    Gemessen
dreymal nun den weiten Kreiß der Erden
    Seit
daß der strenge Mars in vnser Deutschland kam
    Und
dieser schwere Krieg den ersten Anfang nahm...«
    Darauf
folgten Zeilen von Simon Dach:
    »Wo
laß ich, Deutschland, dich?
    Du
bist durch Beut vnd morden
    Die
dreissig Jahr her
    nun
dein Hencker selbst geworden...«
    Gryphius,
Opitz, Dach: lauter Barockpoeten, die mir nahe sind und schon nach dem Willen
der Brüder Grimm fürs deutsche Wörterbuch ein Füllhorn Zitate, um nicht zu
sagen, ihr Herzblut hatten spenden müssen. Im Mittelpunkt meiner Rede jedoch
stand ein Appell, den der mir beispielhaft anstößige englische Schriftsteller
Harold Pinter bei der Vergabe des Literaturnobelpreises hatte laut werden lassen:
»Wie viele Menschen muß man töten, bis man die Bezeichnung verdient hat, ein
Massenmörder und Kriegsverbrecher zu sein?«
    Pinter
sprach vom Irak-Krieg, von gegenwärtigen und zurückliegenden Schandtaten der
USA und über das heuchlerische Zählverhalten des Westens, den »Body count«,
dem nur die eigenen Toten wichtig sind. Er spuckte aus, was jeder wußte, aber
nur wenige zu sagen wagten.
    Umsonst,
»für die Katz«, um beim K zu bleiben. Seine Rede wie auch meine verhallte. Und
was gehört wurde, ging im alles zerfasernden Geschwätz unter.
    So
auch mein Essay »Freiheit nach Börsenmaß«, den ich im Mai 2005 schrieb und der
die gegenwärtige Krise als soziale Kälte vorwegnahm: »Nicht der Bundestag,
sondern die Pharmaindustrie und die von ihr abhängigen Verbände der Arzte und
Apotheker entscheiden darüber, wem die Gesundheitsreform nützlich, aus ihrer
Sicht gewinnbringend zu sein hat. Anstelle der Sozialverpflichtung des
Eigentums gibt sich Profitmaximierung als Grundwert aus. Die freigewählten
Parlamentarier fügen sich dem landesinneren wie globalen Druck des
Großkapitals. So richtet man zwar nicht den Staat - der hält viel aus - wohl
aber die Demokratie zu Grunde.«
    Und
weil mich mit dem soeben Herbeizitierten wiederum der Buchstabe K grüßt, der im
Grimmschen Wörterbuch einen Band füllt, will ich beim

Weitere Kostenlose Bücher