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Grass, Guenter

Grass, Guenter

Titel: Grass, Guenter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grimms Woerter
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Kapital und dessen Ausgeburt
als alleinseligmachender Religion, beim Kapitalismus bleiben. Beide Stichwörter
sind in dem noch von Jacob Grimm besorgten zweiten Band zu finden. In ihm ist
das C dem Capital vorangestellt. Und um den vom Capital abgeleiteten
Capitalisten zu stützen, werden dort die Sorgen des armen Lessing, den
zeitlebens Spielschulden drückten, weil er an keinem Casino vorbeikam, durch
ein Zitat vertreten: »was sind so einem capitalisten tausend thaler?«
    Da
aber schon Marxengels im »Manifest der Kommunistischen Partei« Abschied vom C
nahmen, schreiben wir Kapital und Konsum. Seitdem gibt es die Konkurrenz und
den Klassenkampf. Und zur Zeit erleben wir den Kassensturz des
Kasino-Kapitalismus wie einen Kreuzweg mit allen Stationen bis hin zur
profitverheißenden Auferstehung.
    Die Kinder schon spielen Monopoly
    und nehmen sich ein Beispiel.
    Als nämlich der Kommunismus
    sich selbsttätig liquidiert hatte,
    einzig K-Gruppen als Sekten kümmerten,
    herrschte nur noch das Kapital,
    indem es sich in Konzernen konzentrierte,
    kapitalflüchtig verkrümelte,
    schließlich wundersam von faulen Krediten nährte.
    Das
konnte, sagte man hinterher, auf Dauer nicht gutgehn.
    Nun
kollabiert er, wie vormals der Kommunismus
    und
mittlerweile der kanonisierte Katholizismus.
    Seitdem
verdienen Konkursverwalter.
    Kauflaune
vergeht, und eine Krise
    küßt
die nächste wach.
    Gleich
krummen Kräuterweibern
    befragen
Kommentatoren
    den
Kaffeesatz nach künftigen Katastrophen.
    Wissen
wollen sie, was nach dem Kapitalismus kommt
    und
wer uns, bei verändertem Klima,
    künftiges
Heil verspricht.
    Als
Rudolf Hildebrand im fünften, hernach als elften gezählten Band des Grimmschen
Wörterbuchs den Buchstaben K einführte, sagte er ihm nach, er sei »der harte stumme
kehllaut« und stehe »im Verhältnis zu C, seinem nebenbuhler«. Außerdem habe das
K »das Schicksal gehabt, an den ihm zukommenden stellen nicht durchdringen zu
können oder wieder davon verdrängt zu werden«, etwa vom G.
    Doch
dieser Buchstabe fand erst später, viel später seine Bearbeiter: hundert und
mehr Spalten allein zum Stichwort Geist, zu Grün und mehr noch zu Gott. Den
Wortstrecken war kein Ende abzusehen. Wer würde auf längere Sicht lüstern aufs
L sein? Wen könnte das N vom Nabel auf die Null bringen? Wer traute sich zu,
das T durch Tür und Tor zu tragen? Ab wann durfte das R auf Rache sinnen und
mit Ruhm rechnen? Wer konnte dem O opfern, das P pfänden, mit dem S Siege
feiern und Sauflieder singen? Wem würde das Q Quelle sein? Wem war das U zuzumuten?
Wessen Wissen würde dem W nicht weichen wollen, und wer nicht zögern, mit dem
Z zügig zum Ziel zu kommen?
    Das
und noch mehr mochte sich der Verleger Salomon Hirzel fragen, als ihm Jacob
Grimm weggestorben und vieles noch ungetan war.
     
    UNGEZÄHLTE
KUCKUCKSRUFE
     
    Nach
Jacobs Tod geschah lange nichts, außer daß als Nachweis dreier Kriege, die zur
aus Blut und Eisen geschmiedeten Einheit Deutschlands führten, die Namen
tausender Soldaten in steinerne Gedenktafeln gemeißelt wurden, die noch heute
in dänischen und österreichischen, in französischen und deutschen Stadt- und
Dorfkirchen zu finden sind, hier wie dort namentlich von den Daten der Gefallenen
folgender Kriege ergänzt; hinzu kamen Massengräber und besondere Friedhöfe, auf
denen Grabkreuze weithin in Reih und Glied stehen. Besucher finden diesen
letztmöglichen Ausdruck militärischer Ordnung auf den knochenhaltigen
Schlachtfeldern beider Weltkriege, die allein deshalb als Landschaften
sehenswürdig sind und zum Fotografieren oder stummen Verharren einladen.
    Doch
nahezu unberührt vom waffenklirrenden Zeitgeschehen, und selbst wenn es den
Anschein hatte, mit Jacobs Weggang habe das spaltenlange Flüstern und Wispern
aufgehört, mit ihm sei die Lust an Vokalen und Konsonanten für immer
geschwunden, mehr noch: mit ihm habe die Pflege deutscher Sprachdenkmäler aus
längst abgelebter Zeit ihren obersten Fürsprecher verloren, ging dennoch die
Suche nach Wörtern und sie jeweils stützenden Zitaten weiter.
    Es
stimmt: dem Kalender zufolge verrann darüber viel Zeit. Wie ja zuvor schon der
Zeit nichts blieb, als zu verrinnen. Das tut sie unentwegt. Um ihrer habhaft
zu werden, wird sie datiert. Deshalb steht fest: erst 1878, nach der großen
Bankenkrise, dem Gründerkrach, der neue Wörter wie Aktiensturz, Börsenfieber,
Kursverfall, Konkurs und Pleite in Mode brachte und zeitgleich per Gesetz die
Unterdrückung der

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