Grau - ein Eddie Russett-Roman
allerletzte Schrei waren und Model Ts in Museen ihr Leben fristeten. Ich habe den Vormarsch des Rhododendron erlebt und den Rückgang des Allgemeinwissens. Ich habe in meinem Kopf mehr Informationen, als Sie in zwölf Menschenleben vergessen können. Und dann fragen Sie mich, ob Schubkarren aus Bronze sind.«
»Die Frage beschäftigt mich seit heute Morgen.«
Der Apokryphe Mann legte den Kopf schief und starrte mich an.
»Schubkarren sind nicht aus Bronze.«
»Warum bin ich dann über eine gestolpert, als ich gestern Abend auf der Fahrbahn entlanggegangen bin? Jeder Schutt wird von dem Perpetulit umgehend entfernt – außer Bronze, soweit ich weiß.«
»Vorsicht«, warnte er mich nach einer Pause erneut, »Vernunft kann gefährlich sein. Das Kollektiv verabscheut schwarze Schafe.«
»Es sei denn, alle anderen sind auch schwarz«, sagte ich mit einer plötzlichen Lust am Philosophieren, die mich selbst überraschte. »In dem Fall sind alle weißen Schafe die schwarzen Schafe, und wenn die schwarzen Schafe keine schwarzen Schafe mehr sind, sind alle weißen … nein, Moment … «
»Schade«, sagte der Historiker. »Es ließ sich so gut an. Ziehen Sie den Kopf ein, Edward. Wer zu viel sieht, der sieht bald gar nichts mehr.«
Das war zu hoch für mich, aber ich glaube, ich sollte es auch gar nicht verstehen.
»Sie haben Ihre drei Fragen gestellt. Hier ist der Bonus: Sally Schwefel benutzt Tommo zur körperlichen Befriedigung.«
»Das … erklärt so manches.«
»Ja, nicht? Zum unsichtbaren Teil des Spektrums zu gehören macht vielleicht einsam, aber man bekommt allen Klatsch und Tratsch mit. Na gut, jetzt also die Lebensweisheiten. Erstens: Zeit, die man mit Erkundungen verbringt, ist niemals vergeudete Zeit. Zweitens: Mit der Zugabe von Speck lässt sich fast alles verfeinern. Und schließlich: Jedes Problem ist nach einem heißen Bad und einer Tasse Tee nur noch halb so schlimm.«
»Das sind gute Lebensweisheiten.«
»Es war ja auch eine gute Marmelade. Und Marmelade ist Wissen. Kommen Sie heute Abend zur Versammlung der Chromogenzija?«
Ich bejahte und sagte, ich sei dort nur als Helfer und dürfe selbst nichts sagen.
»Ich schaue regelmäßig vorbei. Es ist eigentlich ganz amüsant, und das Essen ist ausgezeichnet.«
»Dann also bis nachher. Auf Wiedersehen.«
»Nicht doch, Sie werden mich nicht sehen! Schon vergessen? Ich bin Apokryph.«
Seine Farbenprächtigkeit Matthew Gloss
3.6.23.05.058: Mitarbeiter von NationalColor sind von Nützlicher Arbeit freigestellt.
Ich ließ mich im Schneidersitz auf der Fensterbank nieder und sah dem Abendregen zu. Es war ein ungewöhnlich heftiger Wolkenbruch, und in der Ferne war ein Donnergrollen zu hören. Die Rinnsteine füllten sich mit Wasser, liefen über, und der Weg draußen vorm Haus verwandelte sich in einen Bach.
Ich holte mir einen Zettel und machte eine Liste mit den vielen ungelösten Rätseln, denen ich bisher im Dorf begegnet war. Mit dem sonderbarsten wollte ich anfangen und mich dann langsam vorarbeiten, schrieb also als Erstes »Schubkarre« hin und fing an zu überlegen. Nach dem Gespräch mit dem Apokryphen Mann war ich zu der Stelle zurückgekehrt, an der ich über die Schubkarre gestolpert war. Die Karre war immer noch da, auf dem Rasen neben der Perpetulitbahn. Ich hatte sie auf die Fahrbahn gestellt und die Zeit gemessen. Das Perpetulit brauchte achtzehn Minuten und siebenundvierzig Sekunden, um die Schubkarre als Fremdkörper zu erkennen, und noch einmal fünf Minuten und zweiundzwanzig Sekunden, um sie zu entfernen. Das war länger als bei den Steinbrocken, die wir auf dem Weg nach Rostberg auf der Straße hatten liegen sehen. Aber das Prinzip war das gleiche. Die Sache hatte nur einen Haken: Als ich mich vorher dort verlaufen hatte, war es bereits seit über einer halben Stunde dunkel gewesen. Die Frage war also: Wer – oder was – hatte die Schubkarre auf die Perpetulitbahn gestellt?
»Schubkarre?«
Matthew Gloss, der Colormann, hatte sich bei dem prasselnden Regen unbemerkt genähert und sah mir über die Schulter. Ich wollte mich erheben, doch er bedeutete mir großmütig, sitzen zu bleiben, und fragte, ob er sich zu mir gesellen könne.
»Selbstverständlich«, sagte ich und rutschte zur Seite, um ihm Platz zu machen.
»Eine Liste?«, erkundigte er sich freundlich.
»Eine Wunschliste für meinen Geburtstag«, erklärte ich und plapperte drauflos: »Ich weiß, das ist ungewöhnlich, und mein Geburtstag ist erst im Oktober.
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