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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Wir haben auch keinen Garten, jedenfalls keinen, der die Anschaffung einer Schubkarre rechtfertigen würde, aber ich habe mir überlegt, dass ich mir mit dem Verleih von Gartengeräten vielleicht ein paar Cent dazuverdienen könnte, natürlich nur mit der Erlaubnis des Präfekten.«
    »Hinter einem Übermaß an Informationen verbirgt sich häufig eine Unwahrheit«, bemerkte er mit irritierender Klarsicht.
    »Nicht die Unwahrheit, Sir. Aber ich gestehe freimütig, dass ich in Ihrer Gesellschaft nervös bin.«
    Er nickte, offenbar akzeptierte er meine Erklärung.
    »Ihr Vater sagt, Sie interessierten sich für Warteschlangen.«
    Ich bestätigte ihm das.
    »Dann können Sie mir vielleicht verraten, warum es mir nie gelingt, mich in der Kantine von NationalColor in der Schlange anzustellen, die am schnellsten vorankommt.«
    »Das ist leicht zu erklären«, antwortete ich. »Da nur eine einzige Schlange am schnellsten vorankommen kann, sind bei insgesamt, sagen wir, fünf Schaltern für Essensausgabe achtzig Prozent der Schlangen langsamer als die schnellste. Dass Sie länger anstehen, liegt nicht daran, dass Sie eine schlechte Wahl getroffen haben, vielmehr stehen einfach die Chancen für Sie schlecht.«
    Er dachte einen Moment nach.
    »Je mehr Ausgabeschalter, umso geringer also meine Chance, die schnellste Schlange zu erwischen.«
    »Exakt«, antwortete ich. »Würde man die Anzahl der Schlangen auf eine einzige reduzieren, könnten Sie immer sicher sein, in der schnellsten zu stehen.«
    »Ich hatte ja keine Ahnung, dass das Thema Warteschlangen so interessant ist«, sagte er. »Und auch nicht, dass man so viel gedankliche Arbeit in die Sache investieren kann.«
    Es war eine zwiespältige Bemerkung. Es konnte ein Lob sein, aber auch Kritik, ich war mir nicht sicher. Geschickt war ich der Frage nach der Schubkarre ausgewichen, doch jetzt galt es, herauszufinden, warum Matthew Gloss sich in Ost-Karmin aufhielt und was er hier eigentlich machte. Das hatte Jane mir aufgetragen. Doch der Colormann hatte ganz andere Bedürfnisse.
    »Darf ich Ihnen eine anstößige Frage stellen?«
    »Ich werde sie, so gut es geht, beantworten.«
    »Gibt es hier jemanden, der mir zu DemEinen verhelfen kann? Das Leben eines Colormannes ist einsam, ich bin oft wochenlang unterwegs.«
    Die Frage brachte mich in eine schwierige Situation.
    Vielleicht hatte er vom Rat längst erfahren, was Tommo so trieb, und wollte nur meine Loyalität testen. Wenn nicht, und das war die Pointe, machte er sich genauso schuldig wie Tommo. Also brauchte ich das Vertrauen des Colormannes.
    »Ich könnte mich erkundigen«, antwortete ich vorsichtig. »In Ihrem Namen und aufgrund Ihrer Stellung, Ihrer Familie und Ihres Farbtons. Ich würde dabei eine Grenze überschreiten, aus Gefälligkeit, und mich darauf verlassen, dadurch nicht kompromittiert zu werden.«
    Es war mir besser geglückt, als ich erwartet hatte. Es hörte sich beinahe intelligent an.
    »Eine Antwort, die eines Präfekten würdig ist, junger Mann. Weder ja noch nein, sondern irgendwo in der Mitte – und der Schwarze Peter ist wieder bei mir gelandet.«
    Es lief ausgezeichnet, und jetzt war ich wieder an der Reihe.
    »Darf ich Ihnen eine hypothetische Frage stellen, Eure Farbenprächtigkeit?«
    Ich verwendete diesen obsoleten Begriff, um Eindruck zu machen, aber leider kannte der Colormann ihn bereits.
    »Ich bitte ausdrücklich darum, mein junger Cousin – und bitte, sagen Sie doch Matthew zu mir.«
    »Vielen Dank. Mal angenommen, es gäbe zwei Personen, die mir oberflächlich bekannt wären. Die eine eine Mittelpurpurne, die andere eine ehemalige Hellpurpurne, heute eine Graue. Angenommen, die beiden wären jung und dumm. Sie wünschen sich sehr, sie könnten zusammenbleiben, doch ihre Eltern haben andere Vorstellungen.«
    »Und würden die beiden jungen Verliebten – natürlich nur rein hypothetisch – hier in Ost-Karmin leben?«
    »Das vermag ich nicht zu sagen.«
    »Ah! Fahren Sie fort.«
    »Die beiden planen wegzulaufen, aber sie wissen nicht, wohin. Ich habe mich gefragt, ob sich in Smaragdstadt nicht jemand finden ließe, der bereit wäre, ein junges, fleißiges Paar aufzunehmen, ohne Vorbehalte.«
    Er lachte.
    »Ich habe Verständnis für Ihre hypothetische Sorge, und Sie haben meine volle Anerkennung für Ihr Mitgefühl, ein Zug an Ihnen, den es unbedingt zu kultivieren gilt. Die Kurzantwort lautet, dass Sie den Verstoß der beiden melden sollten, die Belohnung einstecken und in dem

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