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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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anbieten?«
    »Nein, danke.«
    »Wie du willst. Mein Kumpel Preston kocht umwerfend guten Tee. Habe ich nicht recht, Preston?«
    »Ja, Sir«, murmelte Preston, hielt den Blick jedoch weiter stur auf den Horizont gerichtet.
    »Bevor Reiten unter die Rücksprungbestimmungen fiel«, fuhr Courtland fort, »wurde die Jagd auf Kugelblitze zu Pferde durchgeführt. Ein feiner Sport, heißt es, obwohl ich mir kaum vorstellen kann, dass auch nur ein einziger Blitz dabei neutralisiert wurde. Ganz schön kompliziert, eine Harpune in vollem Galopp zu werfen. Die Pferdehufe haben sich regelmäßig in den Erdungskabeln verfangen.«
    Er lachte bei der Vorstellung, wandte sich dann aber mit einem finsteren Blick mir zu.
    »Tommo hat mir gesagt, dass du das Lincoln nicht für uns mitbestellt hast, obwohl er dir eine Fahrt nach Rostberg verschafft hat.«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Eine Doppelbestellung, ohne dass mein Vater etwas gemerkt hätte, wäre schwierig gewesen.«
    »Natürlich wäre es schwierig gewesen«, fuhr mich Courtland an. »Wenn es leicht gewesen wäre, hätte ich Tommo darum gebeten oder es selbst gemacht.«
    »Kugelblitz!«, rief Preston und huschte geschickt von seinem Posten am Fernglas zu einem einfachen, auf einem Holzstativ befestigten Inklinationsmesser. Wir starrten zum Horizont und sahen einen weißen leuchtenden Himmelskörper, der sich langsam in unsere Richtung bewegte. Courtland stellte seine Tasse ab und nahm eine Stoppuhr und ein Klemmbrett zur Hand.
    »Peilung zweihundertzweiundsechzig Grad«, las Preston ab, »Elevation zweiunddreißig.«
    Courtland schrieb die Zahlen auf ein Blatt und drückte dann auf die Stoppuhr.
    »Los!«, rief er und wandte sich dann wieder mir zu. »Also. Wie willst du das wiedergutmachen? Hättest du sonst noch was anzubieten? Oder muss ich unseren Vorschuss einfach von deinem Konto abbuchen?«
    »Ich habe ein Konto?«
    »Und ob du eins hast«, versicherte er mir. »Und es ist schon im Minus. Um die Kosten für die Einrichtung des Kontos. Stop!«
    Zehn Sekunden waren vergangen.
    »Peilung zweihundertsiebenundsechzig Grad, Elevation sechsunddreißig«, las Preston seine Instrumente ab. »Ich glaube, er fliegt hoch und schnell.«
    »Danke, aber das kann ich besser beurteilen«, sagte Courtland und konsultierte einen Rechenschieber.
    »Schnell und hoch«, verkündete er. »Wahrscheinlich wird er irgendwo in der Nähe von Great Auburn einschlagen, wenn er nicht vorher ausschert. Na gut«, fügte er hinzu, »kommen wir wieder zu dir. Ich habe entschieden. Als Wiedergutmachung fährst du zurück nach Rostberg und sammelst so viele Löffel ein wie möglich. Sogar verbogene Löffel bringen auf dem Beigemarkt bis zu hundert Meriten, und von den fünfzig oder noch mehr, die da herumliegen, haben bestimmt drei oder vier auch eine Postleitzahl. Die an unterbevölkerte Dörfer weiterverkauft, das würde richtig Kohle einbringen – ganz legal.«
    Sein habgieriges Gequatsche zog bei mir nicht. Ich hatte etwas ganz anderes im Kopf, und ich konnte es nicht länger für mich behalten.
    »Wir haben Travis gefunden.«
    Er sah mich aufmerksam an und sagte dann betont unbekümmert: »Lebend?«
    »Nein.«
    »Schade. Hast du wenigstens seinen Löffel geklaut, bevor andere es tun?«
    »Mir hat es eher um Travis leidgetan.«
    »Das kommt davon, wenn man das Freundschaftsangebot von anderen Farben akzeptiert«, schimpfte er. »Es macht einen nur unnötig sentimental. Was ist ihm denn passiert?«
    »Sein Kopf war halb weggebrannt.«
    »Da wird sich der Stadtrat freuen. Es rechtfertigt die immensen Kosten für die Knisterfalle.«
    »Travis kann sich darüber nicht mehr freuen.«
    Courtland zuckte mit den Achseln. Ich zeigte ihm das Stück geschmolzenes Metall, das ich in Travis’ Schädel gefunden hatte.
    »Weißt du, was das ist?«
    »Klar«, sagte er ungerührt. »Ein Teil einer Leuchtrakete. Wenn Tommo es als Schrottgut anbietet, könnte er schätzungsweise vier Meriten für dich herausschlagen. Der Junge kann alles zu Geld machen.«
    »Willst du wissen, wo ich es gefunden habe?«
    »Mein Lieber, dir macht es vielleicht Spaß, nach Schrott zu graben, aber meine Zeit ist mir dafür zu kostbar.«
    »Ich habe es in Travis’ Kopf gefunden.«
    Er sah mich eine ganze Weile lang ausdruckslos an, verriet sich mit keiner Regung. Er und seine Mutter waren in der Nacht losgezogen, um nach Travis zu suchen, bewaffnet mit Leuchtmunition. Eine Magnesiumstichflamme, in den Kopf eines Menschen gestoßen,

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