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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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wäre so heiß, dass sie einem Kugelblitz gleichkäme. Angeblich hatten sie ihn nicht gefunden, doch augenscheinlich verhielt es sich anders. Courtland legte die Fingerspitzen aneinander.
    »Hast du etwas auf dem Herzen, Edward?«
    »Warum?«
    »Was?«
    »Warum hast du ihn getötet?«
    Er erhob sich aus seinem Liegestuhl, und ich dachte schon, er würde mich angreifen, aber er lachte nur laut und klopfte mir auf die Schulter.
    »Du hast zu viele Renfrew -Folgen gehört, mein Junge. Mord, so was gibt es bei uns nicht mehr. Es hätte keinen Sinn. Warum sollen wir uns mit so etwas beschäftigen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ganz genau. Außerdem: Was für Beweise hast du schon? Hat jemand dich dabei gesehen, wie du das aus Travis’ Kopf genommen hast?«
    Ich sagte nichts, und das war Antwort genug.
    »Du bist clever«, sagte er. »Das respektiere ich. Und weil es heißt, du hättest viel Rotsicht, und weil du eine Zeitlang hierbleiben wirst, müssen wir wohl miteinander klarkommen.«
    »Ich bleibe nicht hier, Courtland.«
    Er lachte.
    »Hast du es denn immer noch nicht begriffen?«
    Er zeigte auf mein »Muss sich in Demut üben«-Abzeichen.
    »Glaubst du wirklich, dass es Bertie Magentas Elefantennummer war, die schuld ist, dass man dich hierhergeschickt hat?«
    »Ja.«
    »Dann solltest du noch mal darüber nachdenken. Die Randzone hat einen tieferen Sinn, als du ihr zugestehen willst. Hier steckt man all die hin, die nicht gegen die Regeln verstoßen haben, aber als potentiell problematisch eingestuft werden. Wenn einem Harmonie alles ist, geht man lieber auf Nummer sicher. Stuhlzählung in der Randzone, das ist Reboot im Kleinen.«
    Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Der Alte Magenta war über den Elefantenstreich, den man seinem Sohn gespielt hatte, gar nicht verärgert gewesen. In Wirklichkeit hatte er darüber gelacht, zum dritten Mal in seinem Leben, und unser Blauer Präfekt, Mr Blaupunkt, hatte mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit gesagt, dass Bertie es verdient habe, er sei ein Trottel, und so würden alle über ihn denken.
    »Dann war es also meine Idee zur Optimierung von Warteschlangen«, sagte ich mit leiser Stimme.
    »Allmählich kommst du der Sache näher. Das Kollektiv hat einen eingebauten Widerstand gegen Veränderungen. Nicht nur, was Technologie und gesellschaftliche Mobilität betrifft, sondern auch Ideen. Änderungen bei Warteschlangen sind kein Regelverstoß, aber es reicht, um jemanden kalt abzuservieren.«
    »Und ›Zwei zum Preis von einem‹? Ist das kein Grund, jemanden abzuservieren?«
    »Doch, Tommo ist ja schließlich aus dem gleichen Grund hier. Aber bei ihm war es die Gier, keine aufwieglerischen Ideen, die die Unantastbarkeit der Essensschlange untergraben hätten. Willst du nicht doch lieber eine Tasse Tee?«
    »Lieber nicht.«
    »Flugmodelle entwerfen, die Harmonie der Pfade entdecken, übermäßiges Interesse an Geschichte, in der Debattiergesellschaft über spezielle Ideen diskutieren, gewisse Artefakte ausgraben – die Liste ist lang. Du wirst nicht wieder nach Hause fahren.«
    »Aber ich soll eine Oxblood heiraten.«
    »Deine Enttäuschung und deine Wut werden sich mit der Zeit legen. Die meisten Leute in der Randzone hören irgendwann auf zu kämpfen und tragen ihren Trotz mit einem gewissen angeschlagenen Stolz zur Schau. In ein, zwei Generationen haben deine Nachfahren vergessen, warum sie eigentlich hier sind, und dürfen wieder herumreisen. Es sei denn … «
    »Es sei denn?«
    Er fasste in seine Tasche, zog sein Portemonnaie hervor und öffnete es demonstrativ, damit ich auch ja sah, dass es nur so überquoll vor Geldscheinen.
    »Nun, es gibt zwar keinerlei Beweise für deine grotesken Anschuldigungen, was Travis betrifft. Aber sagen wir mal so: Du bist neugieriger, als dir guttut, deswegen will ich großzügig sein. Wie hoch steht im Moment der Kurs für das Schweigen eines Roten? Dreihundert?«
    Ich starrte ihn an.
    »Ich bin nicht käuflich.«
    Er seufzte.
    »Deine unangebrachten Skrupel werden allmählich lästig, Master Edward. Nennst du mir jetzt einen Preis, oder müssen wir erst in langwierige, ermüdende Verhandlungen treten?«
    »Ich will nur Gerechtigkeit für Travis.«
    Wieder lachte Courtland.
    »Na dann, viel Glück. Was hast du schon in der Hand? Ein Stück Metallschrott und eine ungeheuerliche Geschichte. Und was haben wir? Einen Präfekten und einen Senior-Aufseher, die beim Worte Munsells schwören, dass sie nichts gesehen und nichts

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