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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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die es ankam – die, die hinten im Meritenbuch stehen. Was ich dann aber sagte, erstaunte mich selbst.
    »Ich werde die Expedition nach Hoch-Safran anführen«, verkündete ich laut und energisch.
    »Akzeptiert«, antwortete von der Malve, bevor ich Zeit hatte, es mir anders zu überlegen. »Wir zahlen einhundert Meriten, wie vereinbart.«
    »Sechshundert. Keinen Cent weniger.«
    Ich erntete schallendes Gelächter für meine dreiste Forderung.
    »Dieser unverschämte Kerl!«, platzte Mr Turquoise der Kragen.
    »So eine Undankbarkeit!«, sagte Amaranth.
    Am lautesten aber war Sally Schwefel.
    »Wir verhandeln nicht mit Lügnern!«
    Von der Malves Reaktion war schon etwas bedachter.
    »Wie kommen Sie darauf, dass Sie sechshundert Meriten wert sind, Edward?«
    Ohne zu überlegen, platzte ich damit heraus.
    »Mein Alpha-Schwellenwert. Sie wissen so gut wie ich, dass es reine Zeitverschwendung wäre, entbehrliche Niederfarbwertige auf so eine Tour zu schicken. Selbst wenn es dort Rot in Mengen gäbe, würden sie es gar nicht sehen.«
    Betreten sahen sich die Präfekten an. Erreichte meine Farbwahrnehmung tatsächlich den Schwellenwert zum Alpha-Status, wäre mein Angebot ausgesprochen günstig. Auch wenn ich nur eine einzige Farbe erkennen konnte, ließe sich aus der gefundenen Menge auf den Gesamtumfang des Altfarbvorkommens schließen. Wichtiger noch, Hoch-Safran war für Ost-Karmin der Schlüssel zu Wohlstand, das wussten die Präfekten. Und wenn ich den Schlüssel zu Hoch-Safran in der Hand hielt, hatte ich etwas anzubieten. Ein brillanter Schachzug – zumindest wenn man den kleinen Haken meines Plans außer Acht ließ: den sicheren Tod.
    »Ihr Ishihara steht erst noch bevor, Sie haben noch keine Farbsichtbeurteilung«, bemerkte Schwefel. »Woher sollen wir wissen, dass Sie uns nicht wieder belügen?«
    Ich sah mich im Raum um, der nicht nur die siebenhundertzweiundachtzig Bände der ungekürzten Ausgabe der Worte Munsells enthielt, sondern auch Regal an Regal voller Wertgut, das nicht zur Sortierung freigegeben worden war – Artefakte der Einstigen, die man nicht rechtmäßig behalten durfte, weil ihre Farben zu stark leuchteten, die aber zu perfekt gestaltet, zu hübsch oder zu selten waren, um sie zu zermalmen, auszupressen, die Restfarbe zu verdichten, anzureichern und wiederaufzubereiten. Dass sie überhaupt gelagert werden konnten, war einem Schlupfloch in den Regeln zu verdanken. Die Gegenstände wurden im Eingangshauptbuch einfach unter der Rubrik »steht zur Sortierung aus« eingetragen.
    Ich ließ meinen Blick über die Gegenstände in den Regalen schweifen und zeigte auf den mit dem geringsten, dezentesten roten Farbanteil, ein Milchkännchen, das aus einer Reihe blanker, grauer Töpferware herausragte. Alle sahen zu Amaranth, der die Stirn runzelte.
    »Ich kann nur ein Hauch Rot darin erkennen«, gestand er, »und ich habe schon einundsiebzig Prozent.«
    Die Anwesenden im Raum starrten mich ungläubig an, doch ich war selbst erstaunt über mich. Wenn ich mehr als einundsiebzig Prozent Rot-Wahrnehmung hatte, konnte ich Präfekt werden.
    »Zahlen Sie ihm die sechshundert«, sagte Amaranth, »und schicken Sie ihn nach Hoch-Safran.«
    Courtland lag ganz richtig mit seiner Einschätzung, die Randzonen seien so etwas wie Reboot im Kleinen. Ich würde hierbleiben, und das hatte Amaranth erkannt. Kein Wunder, dass ihm sehr daran gelegen war, mich auf eine Unternehmung zu schicken, bei der ich nur geringe Überlebenschancen hatte. Während die Runde noch die möglichen Folgen meiner Farbsichtbeurteilung abschätzte, herrschte ungefähr eine halbe Minute lang Schweigen im Raum. Schwefel funkelte mich einfach nur böse an. Ich glaube, ihr missfiel die Vorstellung, ein Russett könnte Präfekt werden. Mein Vater hatte einigermaßen Anstand bewiesen, etwas, das sie wohl kaum gutheißen würde; und Courtland hatte ihr vermutlich meinen Verdacht bezüglich Travis mitgeteilt. Chromatische Politik eben. Man konnte sich ihr nicht entziehen, selbst wenn man wollte.
    »Sie sind sehr unverschämt, junger Mann«, bemerkte von der Malve leise, »aber eins will ich Ihnen gestehen, Sie haben Schneid. Vierhundert.«
    Ich wollte standhaft bleiben, ich musste unbedingt die Marge für das Wohnrecht übertreffen.
    »Sechshundert, Sir. Keinen Cent weniger.«
    »Ihr Gefeilsche in dieser Sache ist eine Schande«, sagte Amaranth mit vor Wut bebender Stimme. »Jedes aufrechte Mitglied des Kollektivs hätte seine Dienste freiwillig

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