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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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an.
    »Was in Munsells Namen haben Sie sich dabei gedacht? Eine Legion Präventivrächer gegen eine Horde marodierendes Gesindel anzuführen?«
    Es war eine halbe Stunde später, und Violetta und ich waren ins Amtszimmer des Oberpräfekten bestellt worden, um Rede und Antwort zu stehen. Das Spiel war in eine Gewaltorgie ausgeartet und danach zunehmend außer Kontrolle geraten. Bei dem erfolgreichen Versuch, wieder in den Besitz der Trillerpfeife zu gelangen, hatte Daisy Tommo den Daumen gebrochen, nur um danach so ausdauernd und laut zu pfeifen, dass ihr die Puste ausging und sie ohnmächtig wurde. Dorian war so geistesgegenwärtig, ein Foto zu machen, und hatte damit dieses beispiellose Ereignis für alle Zeiten gebannt. Die Gewalt hörte erst auf, als ich den Ball in die von einer Mauer umgebene Einfriedung beförderte, in der sich das Grüne Zimmer befand und die niemand zu betreten wagte.
    Von den Spielern waren nur die einer Verletzung entkommen, die so klug gewesen waren, sich rar zu machen, insgesamt war der Schaden ziemlich gleichmäßig zwischen den Mannschaften verteilt, wobei Courtland das meiste zu verantworten hatte. Er drosch auf jeden ein, mit dem er eine Rechnung zu begleichen hatte – also quasi auf alle –, in dem beruhigenden Wissen, dass ich als Kapitän für seine Untaten zur Rechenschaft gezogen werden würde. Er hätte sich auch an mir vergreifen können, aber dazu ließ er sich nicht hinreißen. Ich glaube, er wollte meine persönliche Demütigung und Bestrafung erleben, bevor er selbst Rache nahm, aber vielleicht war das hier bereits seine Rache – er wollte, dass ich zum Reboot geschickt wurde.
    Violetta saß mit mir auf der Anklagebank. Das Mädchenteam hatte ebenfalls beschlossen, die Regeln zu missachten und alles anzugreifen, was sich bewegte, also im Grunde nicht viel anders vorzugehen als sonst auch, nur diesmal ohne die Absicherung durch die schiedsrichterliche Pfeife.
    Von der Malve thronte auf einem Podium, vor ihm halbkreisförmig der Rat. Wenn er sprach, machten die Ratsmitglieder lange Gesichter, schüttelten den Kopf oder äußerten ein vorwurfsvolles »Ts, ts!«. Violetta und ich waren noch matsch- und blutbefleckt. Ich hatte nur ein paar Kratzer abbekommen, aber Violetta hatte am Hinterkopf eine hastig vernähte Wunde. Ihre Haare, heute Morgen noch eine perfekte Frisur, waren mit Blut verklebt.
    »Puce’ Oberschenkel braucht möglicherweise bis zu vierzehn Tage, bis er ganz ausgeheilt ist«, sagte Turquoise mit düsterer Stimme, »und jeder verlorene Arbeitstag ist ein verlorener Tag für das Kollektiv. Finbarr Gardenias gebrochenes Schlüsselbein hat die Haut durchstoßen, sehr wahrscheinlich wird er bis zum Lebensende eine hängende Schulter behalten.«
    »Was sagen Sie dazu?«
    »Wie bitte?«, fragte ich. Mir ging wieder das Rätsel mit der Schubkarre durch den Kopf.
    »Ich habe Sie gefragt«, sagte Turquoise gereizt, »wie Sie zu all diesen Verletzungen stehen.«
    »Wenn ich mein Prioritätenwarteschlangensystem nicht eingeführt hätte, wäre alles noch viel schlimmer ausgegangen«, antwortete ich spontan.
    »Zu Ihrem Warteschlangensystem kommen wir auch noch«, bellte Schwefel, die mich gefährlich böse anblickte, seit ich den Raum betreten hatte, »und vergessen Sie gefälligst nicht, wo Sie sich befinden.«
    »Violetta«, fuhr von der Malve fort und wandte sich seiner Tochter zu, »hast du etwas zu dem Ganzen zu sagen?«
    Violetta tat unschuldig. »Das Mädchenteam hat aus reiner Notwehr gehandelt«, sagte sie. »Anders hätten wir schlimme Verletzungen nicht vermeiden können. Die Jungen sind auf einmal völlig durchgedreht.«
    »Das werden wir berücksichtigen«, sagte ihr Vater. »Doch Zeugen haben ausgesagt, dass beide Mannschaften weitergekämpft haben, nachdem der Schlusspfiff ertönt war – und dein Team hat fast genauso viel Schaden angerichtet wie Russetts.«
    »Das ist nicht unüblich«, hob sie hervor. »Es wäre nicht das Spiel Mädchen gegen Jungen, wenn wir nicht ein paar Schienbeine zertrümmert und ein, zwei Gehirnerschütterungen an unsere Gegner ausgeteilt hätten.«
    »Das ist eine ›Kann‹-Bestimmung«, sagte Präfektin Sally Schwefel, die sich die Spielregeln extra noch mal durchgelesen hatte, um das Verhalten der Beteiligten bei Gewaltanwendung auf dem Feld besser einschätzen zu können. »Und sie gilt nur, wenn der Ball gespielt wird. Als Daisys Pfeife nicht mehr beachtet wurde, waren Sie persönlich für Ihre Mannschaft

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