Grau - ein Eddie Russett-Roman
so schlimm, falls du nicht zurückkehrst.«
»Ich kann dich nicht heiraten, solange ich kein Wohnrecht habe, selbst wenn ich wollte, und ich will ja nicht.«
»Die Liebe findet schon eine Lösung«, sagte sie fröhlich. »Und was die Liebe nicht schafft, das schafft mein Vater mit seinem Geld. Der braucht nur einmal sein Portemonnaie zu zücken. Wir sollten uns zu einem romantischen Spaziergang treffen und meine Zukunft besprechen. Sagen wir heute Abend, zur Laternenzeit, neben Munsells Bronzebüste?«
»Ich bin beschäftigt.«
»Klar bist du beschäftigt – mit mir.«
Sie legte mir eine Hand auf die Wange.
»Ich stelle schon mal die Gästeliste und das Menü zusammen und schreibe alles auf einen Zettel, du brauchst dann nur noch zuzustimmen. Aber um dir zu beweisen, dass du dich auch ein bisschen in unsere Beziehung einbringen darfst, überlasse ich dir zum Beispiel die Wahl der Kosenamen. Ich bin ja so froh, dass wir zusammen bestraft wurden, sonst hätten wir uns gar nicht richtig kennengelernt und uns verliebt. Wunderbar!«
Sie klimperte mit den Wimpern und lächelte mich selig an. Dann wollte sie wissen, woran ich gerade dachte. Ich glaube, sie erwartete, dass ich von ihr schwärmte, was anderes wollte sie nicht hören, doch ich konnte nur daran denken, wie ich diesen Albtraum zu meinem Vorteil nutzen konnte.
»Hast du Boysenbeerenmarmelade?« Der Apokryphe Mann und das Tor zu seinem Wissen fielen mir ein.
»Aha, ein Marmeladen-Connaisseur. Du und Daddy, ihr habt ja so viel gemein. Ich gucke mal bei uns im Keller nach. Soll ich dir auch einen Löffel mitbringen?«
»Nur die Marmelade.«
»Gut, also Boysenbeere. Herrlich. Bis heute Abend dann.«
Sie lächelte mich wieder an und hüpfte den Flur des Kapitelhauses entlang davon.
Mit einem Gefühl schleichender Furcht sah ich ihr hinterher und ärgerte mich über meine Schwäche. Ich hätte ihr gleich in aller Deutlichkeit sagen sollen, sie könnte mir mal den Buckel runterrutschen, doch farbhöherwertige Mädchen ließen mich regelmäßig verstummen. Außerdem war Violetta kein Mensch, der sich so leicht abservieren ließ, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Langsam ging ich nach draußen und trat ins Tageslicht.
Auch wenn ich es zu dem Zeitpunkt natürlich nicht wusste, doch der Yateveobaum, der mich schließlich verschlingen würde, war plötzlich in greifbare Nähe gerückt.
Tommo & Dad
2.6.03.24.339: Finderlohn darf 10 % nicht übersteigen.
Draußen auf der Mauer, die den Colorgarten umgab, saß Tommo und wartete auf mich. Irgendwann in der Nacht war das Gelb ausgegangen, der Rasen hatte jetzt eine blässlich blaue Färbung. Die Pumpe war wahrscheinlich ausgeschaltet worden, und es würde einige Tage dauern, bis die Restfarbe durchgesickert war. Ich war nicht sonderlich gut auf Tommo zu sprechen, deswegen schlug ich gleich den Weg nach Hause ein.
»Was hast du gekriegt?«, fragte er, nachdem er losgetrabt war und mich eingeholt hatte.
»Gekriegt habe ich gar nichts«, antwortete ich. »Im Gegenteil. Ich habe achthundert Meriten verloren.«
»Wow!«, entfuhr es Tommo, sichtlich beeindruckt. »Nicht mal ich habe je so viel auf einen Schlag verloren. Wäre allerdings auch nicht möglich gewesen – ich hatte noch nie so viel.«
»Außerdem leite ich die Expedition nach Hoch-Safran.«
»Das ist verrückt! Ich bezweifle auch stark, dass sie das als Strafmaßnahme durchsetzen dürfen.«
»Haben sie auch nicht vor. Ich habe mich freiwillig gemeldet. Für sechshundert Meriten.«
»Schon nicht mehr ganz so verrückt, aber immer noch erheiternd irrational. Bei einer hundertprozentigen Sterberate könnte es möglicherweise schwierig werden, den Gewinn einzustreichen. Es sei denn … «
»Es sei denn was?«
»Schon gut. Violetta hat fett gegrinst, als sie eben herauskam. Was hatte das denn zu bedeuten?«
Er würde die Geschichte mit der Zeit sowieso erfahren, daher war es besser, wenn ich sie ihm jetzt gleich erzählte und der Wahrheit entsprechend.
»Meinen Glückwunsch!«, sagte er. »Ihr beide werdet sicher sehr glücklich zusammen.«
»Glücklich?«
Er zuckte mit den Achseln.
»Ein relativer Begriff. Bei so viel Rotsicht wirst du unter Garantie Präfekt.«
»Kann sein, aber nicht hier. Zu Hause habe ich eine Oxblood, die mich heiraten wird und dank der ich eine Bindfadenfabrik erben werde.«
»Wenn Violetta erst mal ihren Vater eingespannt hat, wird sich das ändern. Ihr beide seid chromatisch wie füreinander geschaffen.
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