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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Kopf. Mich überkam plötzlich ein flaues Gefühl, als mir klar wurde, worauf ich mich eingelassen hatte, und sich die Unausweichlichkeit wie ein Amboss auf meinen Magen legte.
    »Aus Gründen, mit denen ich Sie weiter nicht behelligen möchte«, fuhr von der Malve fort, »bin ich bereit, das bestehende Angebot von zweihundert Meriten um dreihundert zu erhöhen – unter der Bedingung, dass der Teamleiter sicher und unversehrt zurückgebracht wird.«
    »Ich erhöhe um weitere zweihundert!«, sagte mein Vater. Er verstieß damit gegen das Protokoll, aber das störte niemanden.
    Obwohl die Regeln besagten, dass bei Tisch nicht gesprochen werden durfte, erhob sich leises Gemurmel. Von der Malve spürte, dass er mit Nachsicht mehr erreichte als mit Strenge, und ließ die Leute ein paar Minuten reden, bevor er uns allen Zeichen gab, still zu sein. Siebenhundert Meriten! Für einen Tag Arbeit! Das war unerhört. So etwas hatte es noch nie gegeben. Aber es blieb unerhört. Die Zahl der Arme, die in die Höhe schossen, blieb bei null.
    »Na gut«, sagte von der Malve, jetzt sichtlich verärgert, »sollte sich noch jemand anders entscheiden, wende er sich bitte direkt an mich.«
    Er sah sich im Raum um, bevor er fortfuhr.
    »Und Sie, Russett, werden unmittelbar nach dem Mittagessen zu einer Lagebesprechung bei Mr Amaranth vorstellig. Sie werden morgen früh bei Tagesanbruch mit Mr Fandango losfahren. Kommen wir nun zu unserer Lesung aus den Schriften Munsells … «
    Zum Glück fiel der Vortrag diesmal erheblich kürzer aus als sonst. Hauptsächlich ging es um gemeinsames Wirken in strikter Harmonie, die Achtung der Colortokratie und dass jeder durch harte Arbeit und strenge Befolgung der Regeln mit seinen wohlverdienten Meriten seinen Kindern eine bessere Ehe ermöglichen und seinen Nachkommen in der Zukunft sozialen Aufstieg garantieren könne. Und so weiter und so fort. Ich hörte gar nicht mehr zu. Ich dachte an meine Exkursion nach Hoch-Safran und verfluchte im Stillen mein ungestümes Vorpreschen. Von der Malve beendete die Lesung, kam zum Schluss noch mal darauf zurück, wie dankbar wir doch sein könnten, dass während des Hockeyspiels Mädchen gegen Jungen niemand schwere, bleibende Verletzungen davongetragen habe, und verkündete dann endlich, wir mögen anfangen zu essen.
    Alle schwiegen an unserem Tisch, und jeder wich meinem Blick aus.
    »Es wird alles gut, Eddie«, brach Doug endlich das Schweigen. »Du kommst bestimmt zurück.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Tommo mit noch größerer Zuversicht. »Nicht weil ich hoffnungsloser Optimist bin, sondern weil du für die von der Malves viel zu wertvoll bist.«
    Das stimmte sehr wahrscheinlich, doch ich vermochte nicht zu erkennen, wie von der Malve für meine Sicherheit garantieren sollte. Sobald ich die Außenmarkierungen hinter mir gelassen hatte, wäre ich auf mich allein gestellt. Die anderen nickten, aber es wirkte wenig überzeugend. Sie gaben mir keine Überlebenschancen. Das Thema war abgehakt, und man ging zu anderen Dingen über. Ich war nur einer von vielen, die hier auf dem Weg zum Reboot Station machten. Eben noch da und schon wieder weg.
    »Und?«, warf Daisy ein, die den größten blauen Fleck hatte, der mir je untergekommen war. »Hast du schlimm was abgekriegt beim Spiel?«
    Ich sagte ihnen, welche Strafe Violetta und ich erhalten hatten.
    »Sie hat nur einhundert Meriten gekriegt und du zweihundert?«, empörte sich Lucy. »Wie ungerecht.«
    »Sie ist eben eine von der Malve«, sagte Tommo. »Ich hätte eher getippt, dass sie gar nichts zahlen muss. Da fällt mir ein, wie geht es eigentlich deinem Ohr, Lucy?«
    »Ein bisschen schmerzt es noch«, antwortete sie und berührte vorsichtig die Wunde. Das anstößige Körperteil war dunkel verfärbt und geschwollen, aber umgeben von einer sauberen Naht feinster Stiche, die mein Vater gesetzt hatte. »Die Krankenschwester hat mir geraten, für ein paar Tage nur mit dem anderen zu hören, bis es verheilt ist.«
    »Hast du eine Ahnung, wer es dir abgerissen hat?«, fragte Doug, der passend zu seinem blauen Fleck noch eine aufgeplatzte Lippe hatte.
    »Es passierte wahnsinnig schnell. Man könnte höchstens den Zahnabdruck am Ohr vergleichen.«
    »Das dürfte wohl kaum den Aufwand lohnen«, sagte Tommo. Es kam ein bisschen zu plötzlich, um sicher sein zu können, dass er nichts damit zu tun hatte. »Hockey bedeutet nun mal Hauen und Stechen, nicht wahr?«
    »Ach übrigens«, sagte Doug, »ich muss mich noch

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