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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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bei dir bedanken, dass du mir Violetta vom Hals geschafft hast.«
    Plötzlich verstummten wieder alle und sahen mich erwartungsvoll an, wie ich diese Bemerkung aufnehmen würde. Klatsch und Tratsch verbreiten sich in jedem Dorf mit Lichtgeschwindigkeit, und viele Bewohner konnten es nicht mehr sein, die noch nicht von Violettas plötzlichem Umschwung hinsichtlich ihrer angestrebten Verbindung erfahren hatten. Und meine Meinung in dieser Sache war sehr wahrscheinlich die dringlichste Frage, die hier allen auf den Lippen brannte.
    »So weit wird es nicht kommen«, sagte ich mit einem gewissen dramatischen Unterton der Endgültigkeit. »Selbst wenn ich zurückkehre.«
    »Violetta kann sehr überzeugend sein«, bemerkte Daisy, »und für gewöhnlich bekommt sie ihren Willen.«
    »Es gibt noch eine Kehrseite dieser ehelichen Verbindung von Russett und von der Malve«, sagte Tommo, der sich eine ganze Weile lang nicht geäußert hatte.
    »Und die wäre?«, fragte ich.
    »Es würde meine fantastische Eheliga völlig durcheinanderbringen. Jetzt, da Doug zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder frei ist, muss ich meine Liga von Grund auf neu strukturieren.«
    Es war nicht die Art von ›Kehrseite‹, auf die ich gehofft hatte.
    »Es sei denn … « Tommo schnippte mit dem Finger. »Doug, würdest du mir einen Riesengefallen tun und dich erklären? Es würde mir den ganzen Papierkram ersparen.«
    »Ich unterstütze das«, sagte Arnold und zwinkerte Doug zu.
    »Was hat es denn mit dem Lügner-Abzeichen auf sich?«, fragte mich Daisy. Sie war die Erste, der es auffiel. Ich hatte es geschickt unter meinem Roten Farbkennzeichen versteckt.
    »Hat er bei seiner Beschreibung der Besichtigung des Letzten Kaninchens vielleicht versehentlich ein bisschen übertrieben?«, verkündete Tommo mit einem Anflug von Schadenfreude in der Stimme.
    Ich sah ihn an.
    »Woher weißt du das mit dem Kaninchen?«
    »Ups!«
    »Du hast mich also verpetzt!«
    Der ganze Tisch wandte sich Tommo zu. Lügen war schlimm genug, doch jemanden aus der eigenen Farbtongruppe zu verpetzen war noch schlimmer. Er zeigte sich nicht gerade reumütig.
    »Eigentlich müsste ich mich entschuldigen. Aber dein gemeiner Kaninchenschwindel wäre früher oder später sowieso aufgeflogen. Da ist es doch nur gerecht, wenn ein Freund oder Kollege die Prämie einsackt, statt jemand Geringeres, der sie nicht verdient hat.«
    »Jemand Geringeres als du?«, warf Lucy ein. »Der müsste erst noch gefunden werden.«
    »Kein Grund, unfreundlich zu werden. Ich werde es wiedergutmachen.«
    »Und wie?«
    Er antwortete nicht darauf, erregte stattdessen die Aufmerksamkeit des Essensaufsehers und wurde gebeten, sich an einen anderen Tisch zu setzen. In Wirklichkeit kam mir sein Verrat zugute, denn das Lügner-Abzeichen kam nicht mehr zur Sprache.
    »Kennt sich von euch jemand in Hoch-Safran aus?«, fragte ich in die Runde. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Amaranths Instruktionen mir auch nur im Geringsten von Nutzen sein können.«
    Schweigen am Tisch.
    »Der Mangel an Augenzeugenberichten lässt die Faktenlage recht bescheiden aussehen«, antwortete Daisy diplomatisch, um meine Angst nicht noch zu schüren. »Aber an Halbwahrheiten und Vermutungen mangelt es nicht.«
    »Zum Beispiel?«
    Sie sahen sich an, und es war Lucy, die das Wort ergriff.
    »Der Legende nach ist Hoch-Safran der Ort, an dem sich die Erinnerungen der Einstigen gesammelt haben. Sie beklagen ihr verlorenes Leben und ihre untergegangenen Geschichten, und sie lauern im Schatten und warten darauf, sich vom Charisma derjenigen, die noch leben, zu ernähren.«
    »Ich glaube, ich will lieber doch keine Halbwahrheiten hören«, unterbrach ich sie. »Kennt denn wirklich niemand verbriefte Fakten?«
    »Gelegentlich kommen Bergbauspekulanten ins Dorf«, ergänzte Daisy, »angelockt durch die Gerüchte über unvorstellbare chromatische Reichtümer.«
    »Die Präfekten verkaufen den Bergleuten eine Spekulationslizenz«, fuhr Lucy fort, »und die gehen dann nach Hoch-Safran und kommen nicht mehr zurück. Jedenfalls nicht hierher.«
    »Es soll auch Reisende geben, die übers Meer gekommen sind«, sagte Doug, »aus dem gleichen Ort wie der Mann, der vom Himmel gefallen ist. Und sie bringen Leute mit, irgendwoher aus Übersee, die für sie arbeiten.«
    »Ich habe gehört, Hoch-Safran wäre von kannibalischem Gesindel bevölkert«, sagte Arnold, eine Bemerkung, die mir am wenigsten weiterhalf, »und jedem, der sich ihnen nähert, reißen

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