Grau - ein Eddie Russett-Roman
senkte die Stimme.
»Ich habe die Farbskalen seiner Eltern gesehen, und so großartig ist ihre Farbsicht nun auch wieder nicht. Josiah Oxblood denkt rein dynastisch. Er würde seine Constance auch an einen Farbeimer verkuppeln, wenn es seiner Familie mehr Rot einbringen würde.«
»Das war nicht sonderlich passend formuliert, Dad.«
»Was Besseres ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen.«
Er sah mich finster an, und ich verstummte. Ehrlich gesagt hatte ich die Konsequenzen, die eine Verschleierung meiner Fähigkeit nach sich ziehen konnte, überhaupt nicht bedacht. Normalerweise sorgte eine chromatisch arrangierte Ehe nur für Klatsch und Tratsch, man amüsierte sich auf Kosten eines anderen. Betraf es dagegen einen selbst, dann war es auf einmal, nun ja, lästig. Je höher der eigene Farbwert, desto begrenzter die Auswahl an Lebenspartnern. So etwas konnte den Grauen nicht passieren.
»Wenn das, was Tommo behauptet, zutrifft und die von der Malves stinkreich sind und außerdem scharf auf eine Farbtonaufwertung, könnten wir sogar ein Pre-empt-Angebot kriegen oder in die Auktion gehen. Außerdem«, ergänzte er noch, »bin ich gerne bereit, die Mitgift mit dir zu teilen. Wir würden beide mit prall gefüllten Taschen aus dem Geschäft hervorgehen.«
»Das ist der Unterschied«, sagte ich. »Du kannst gehen. Ich nicht. Ich muss hierbleiben. Weil ich dann mit Violetta von der Malve verheiratet bin.«
»Ist sie wirklich so viel schlechter als Constance?«
»Kein bisschen«, entgegnete ich. »Aber Constance war wenigstens meine eigene Entscheidung.«
»Entscheidungsfreiheit wird überbewertet«, zitierte Dad aus den Schriften Munsells, etwas, was er selten machte. »Du wirst sehen, mit der Zeit wird sie dir schon noch sympathisch. Wenn du erst mal deinen Ishihara abgelegt hast, wirst du Roter Präfekt, und mit von der Malve als Schwiegervater wirst du eines Tages auch die Linoleumfabrik leiten.«
»Dad, wir hatten uns geeinigt, darüber zu sprechen, bevor diese Entscheidung getroffen wird.«
»Wir sprechen doch gerade darüber oder etwa nicht? Außerdem hast du dir das selbst zuzuschreiben. Warum musst du auch mit deiner Fähigkeit so herausplatzen? Du weißt doch, was mit diesem Karottenkopf passiert ist. Wie hieß der doch gleich?«
»Dwayne.«
»Genau. Dwayne Carrot.«
Wir waren an der Treppe des Rathauses angelangt und standen uns schweigend gegenüber, während sich die anderen Dorfbewohner, die zum Mittagessen hineinströmten, unterhielten und uns kaum beachteten.
»Wie war denn die Anhörung vor den Präfekten?«, erkundigte sich mein Vater schließlich.
Ich erzählte ihm von den achthundert Meriten Strafgeld, die ich aufgebrummt bekommen hatte. Aber offenbar ärgerte es ihn gar nicht besonders – sicher dachte er, es würde die Wahrscheinlichkeit, dass ich nun auf die Linie der von der Malves einschwenkte, noch erhöhen.
Er fragte nach, warum die Strafe so hoch ausgefallen war, und ich erklärte ihm die Geschichte mit dem Letzten Kaninchen. Traurig schüttelte er den Kopf und räumte ein, dass er schon immer geahnt habe, dass uns das Kaninchen Ärger einbringen würde. Ich holte tief Luft und gestand ihm dann, dass ich angeboten hätte, nach Hoch-Safran zu fahren, um die verlorenen Meriten wieder zurückzugewinnen.
»Was hast du!?«
»Ich führe die Expedition nach Hoch-Safran. Für sechshundert Meriten.«
»Und wenn du nun nicht zurückkommst? Was ist, wenn die Nacht anbricht?«
»Irgendwann bricht immer die Nacht an. Jeden Tag.«
»Ich meine, du mittendrin.«
»Dad«, beschwor ich ihn eindrücklich. »Ich komme schon zurecht, wirklich. Die Vermissten waren alle schwache Rebooter, die die Gelegenheit genutzt haben, um sich abzusetzen. Wahrscheinlich laufen sie jetzt in Lendenschurzen herum, mit verfilzten Haaren und schlechten Manieren. Ich werde es schon schaffen.«
»Eine unbesonnene Entscheidung. Du hättest mich vorher fragen sollen. Schließlich habe ich zwanzig Jahre in dich investiert.«
»Die Regeln besagen«, erwiderte ich, »dass für eine freiwillige Teilnahme an Wertgutsammeltrupps eine elterliche Einwilligung nicht erforderlich ist.«
Das war ihm bekannt.
»Na gut, vielleicht stärkt es ja deine Führungsqualitäten«, knurrte er. »Die kämen dir als Präfekt später zugute. Wann geht es los?«
»Wenn es nach den von der Malves geht, erst wenn wir verheiratet sind und ihr Enkel unterwegs ist. Aber wer weiß, falls Violetta mich sympathisch findet, könnte sie
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