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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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erreicht, doch das machte mir nichts aus, denn ich fiel in weiches Gras und kullerte in einen Dornenbusch. Ich stand auf, hatte zwar ein paar blutige Kratzer abbekommen, aber ich war draußen und sah dem Zug hinterher, bis er verschwunden war. Dann ging ich auf dem Gleis zurück zum Bahnhof.
    »Nanu?«, sagte der Bahnhofsvorsteher, als ich zwanzig Minuten später vom Gleisbett auf den Bahnsteig kletterte. »Haben Sie sich anders entschieden?«
    »Die Randzone lässt einen nicht los.«
    »Ja – genau wie eine Flechte, wenn man nur lange genug stillsteht.«

Mein letzter Abend in Unschuld
    4.2.12.34.431: Abweichungen in den Speisekarten der Teestuben sind nicht zulässig.
    Ich machte mich auf den Weg zum Gefallenen Mann, wohin Fandango, einer alten Tradition gehorchend, Bertie zu Tee und Scones eingeladen hatte, um mit ihm über Mitgift, Feedback-Beurteilungen und Tugendpunkte zu verhandeln. Keine Ahnung, was ich vorhatte, aber irgendetwas musste geschehen.
    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging Dorian unruhig auf und ab, und bevor ich auch nur ein Wort zu ihm sagen konnte, hatte er mir eins auf die Nase gegeben. Der Schlag war nicht sehr heftig, aber es reichte, um mich aufzuhalten.
    »Das ist dafür, dass Sie mein Vertrauen verraten haben«, sagte er. »Ich hatte gedacht, Sie würden uns aus unserer Zwangslage heraushelfen. Und jetzt muss ich feststellen, dass Sie diesen Trottel Magenta eingeladen haben, damit er die Ware vor dem Kauf begutachten kann. Ob sie auch reif ist. Was ist Imogen in Ihren Augen? Ein Stück Obst?«
    »Es ist nicht meine Schuld!«, protestierte ich. »Suchen Sie lieber nach jemandem, der für ein paar Extra-Meriten seine eigenen Zehen verkaufen würde.«
    »Oh«, murmelte er, plötzlich zerknirscht. »Tommo!«
    »Ganz genau.« Ich spähte hinüber zur Teestube, wo Fandango in ein angeregtes Gespräch mit Bertie vertieft war. Zwischen ihnen hatte Imogen Platz genommen, die in ihrer Legeren Außenkleidung mit Hut Nr. 8 wirklich reizend aussah. Sie starrte dumpf und verdrießlich abwechselnd ihren Vater und ihren wahrscheinlich zukünftigen Ehemann an.
    »Ganz so unschuldig, wie Sie behaupten, können Sie aber nicht sein«, setzte Dorian nach. »Tommo kann doch nur durch Sie von Magenta erfahren haben.«
    »Stimmt«, sagte ich. »Da habe ich etwas wiedergutzumachen.«
    »Und wie?«
    Ich übergab Dorian die unbenutzte Fahrkarte, und er bekam große Augen.
    Ihm blieb gerade noch Zeit, die Karte in die Tasche zu stecken, als auch schon Präfektin Sally Schwefel, bebend vor Empörung, auf uns zukam. Sie war in Begleitung von Courtland, und die beiden waren alles andere als erfreut, mich hier zu sehen.
    »Was machen Sie denn noch hier, Russett? Ich dachte, wir hätten uns darauf verständigt, dass Sie mit dem Zug abreisen.«
    »Die Umstände haben sich geändert.«
    Sie funkelte mich böse an.
    »Diese Entscheidung werden Sie noch bereuen«, sagte sie frostig.
    »Ist das eine Drohung, Madam Präfektin?«
    »Wo denken Sie hin«, erwiderte sie. »Nur eine Feststellung.«
    »Eine Feststellung nicht ohne Absicht. Dennoch betrachte ich es als meine Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass Bunty McMostrich den Zug um vierzehn Uhr dreiundvierzig bestiegen hat.«
    » Was? Bunty? Weggelaufen? Unmöglich!«
    Nachdem sie mir noch rasch »Auf Sie komme ich später zurück« zugeraunt hatte, marschierte sie los, um selbst herauszufinden, was mit Bunty passiert war.
    »Also«, sagte Courtland, kaum dass seine Mutter weg war. »Dann schuldest du mir jetzt wohl eine Fahrkarte. Abgemacht ist abgemacht.«
    »Wir hatten abgemacht, dass ich den Zug besteige. Das habe ich getan.«
    »Für die Grauen einzutreten kann eine teure Angelegenheit werden«, sagte er zu mir, mit Blick auf Dorian. »Ich hoffe, du kannst es dir leisten.«
    »Ich werde das ganze Thema der Grauen nächste Woche zur Sprache bringen«, entgegnete ich. »Auf der Ratssitzung. Es könnte zu einigen grundlegenden Veränderungen kommen.«
    Meine Angeberei schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken.
    »Du machst Pläne für nächste Woche? Dein fröhlicher Optimismus ehrt dich«, sagte er und lief seiner Mutter hinterher.
    »Hier«, sagte Dorian, als Courtland weg war, »ein Haferkeks für Sie. Unser Sirup war alle, deswegen habe ich ihn mit Lebertranöl gebacken.«
    »Ein bisschen krümelig«, sagte ich, nachdem ich hineingebissen hatte, »und er schmeckt nach Fisch.«
    Wir standen immer noch auf der anderen Seite der Straße und schauten nach gegenüber

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