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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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ins Fenster des Gefallenen Mannes.
    »Jetzt, wo wir zwei Fahrkarten haben«, sagte Dorian, »gehen wir natürlich auf das Angebot des Colormanns ein. Wir nehmen den Zug am Sonntag, gleich nach Imogens Ishihara.«
    Es entstand eine Pause.
    »Eddie?«
    »Ja?«
    »Warum sind Sie nicht im Zug sitzen geblieben? Sie werden morgen unweigerlich in der Wildnis verschwinden, und dass Sie Violetta heiraten wollen, halte ich für so gut wie ausgeschlossen.«
    »Soll ich Ihnen die einzige, ehrliche, wirklich wahrhaftige Wahrheit sagen?«
    Er nickte.
    »Weil es hier noch jemanden gibt in Ost-Karmin. Jemand hoffnungslos Unpassendes. Eigentlich also keine gute Idee, und man handelt sich nur Ärger der schlimmsten Sorte ein. Aber egal wie – jede Minute in ihrer Gegenwart macht mein Leben um eine Minute reicher.«
    »Ja«, sagte er und sah hinüber zu Imogen. »Ich weiß genau, was Sie meinen.«
    Wir schwiegen eine Weile gemeinsam.
    »Noch einen Haferkeks?«
    »Nein, danke.«
    Zu Hause angekommen, schrieb ich mehrere Briefe. Einen an Constance, in dem ich ihr erklärte, es sei immer meine Absicht gewesen, sie zu heiraten, aber wir beide wären Opfer einer Preistreiberei zur Farbaufwertung geworden. Einen an meinen Vater, in dem ich ihm sagte, dass ich ihn liebte, und einen an Fenton, in dem ich mich für die Sache mit dem Kaninchen entschuldigte und ein Fünfmeritenstück als Entschädigung beilegte. Alle Briefe tat ich in die oberste Schublade meiner Kommode, damit man sie sofort fand, wenn mein Zimmer geräumt werden würde. Danach ging ich nach unten, um das Abendessen zu machen. Ich kochte mehr als nötig und verteilte es auf zwei Teller, so hatten der Apokryphe Mann und sein Übriger es leichter.
    Ab und zu klopfte es an die Tür, und jedes Mal schlug mein Herz höher, weil ich dachte, es könnte Jane sein und sie wäre gekommen, um mir zu sagen, sie habe es sich anders überlegt und wolle mich nach Hoch-Safran begleiten. Aber es war nie Jane. Es waren Bewohner, die mich baten, etwas für sie in Hoch-Safran zu erledigen. Zum Beispiel nach Floyd Pinken zu suchen, der zehn Jahre zuvor dort verschwunden war, oder nach Johnson McKhaki, den dreiundzwanzig Jahre davor das gleiche Schicksal ereilt hatte. »Ich werde seinen Namen rufen«, versprach ich seiner gealterten Witwe, mit der es in puncto falsche Hoffnungen wohl niemand hätte aufnehmen können.
    Lucy Ocker kam vorbei, um mir alles Gute zu wünschen. Und sie hatte eine Nachricht für mich aus der Grauen Zone.
    »Du hast einen neuen Namen: Der mit dem Feuer spielt .«
    Diese Redewendung hatte ich schon mal gehört. Sie bezog sich auf die Vorschriften zur »Sicherheit zu Hause und im Umgang mit Gefahren« aus Abschnitt 8 im Buch des Gesunden Menschenverstands , aber man bezeichnete damit auch jemanden, der egoistisch seine eigenen schmutzigen Ideale verfolgt und dem es egal ist, ob er andere dabei in Gefahr bringt. Es bedeutete außerdem, dass man die schlichte Reinheit des Regenbogens ablehnte und die eigene Haltung unvereinbar war mit den Schriften Munsells. Mit anderen Worten: jenseits aller Verachtung und mehr als reif für ein Reboot. Aus dem Mund eines – oder einer – Grauen ein riesiges Lob.
    »So eine Auszeichnung wird normalerweise nur posthum verliehen«, sagte ich.
    »Ich glaube, sie wollen, dass du noch deine Freude daran hast, auch wenn sie nur von kurzer Dauer sein wird.«
    »Wie aufmerksam. Von wem ist die Nachricht?«
    »Von der mit der Stupsnase, die immer so streitsüchtig ist. Habt ihr beide was am Laufen?«
    »Was am Laufen? Ich glaube, für so was ist sie nicht zu haben.«
    Lucy teilte meine Einschätzung, und dann bat sie mich, ein Pendel mit auf die Exkursion zu nehmen und unterwegs einige Harmonietests durchzuführen.
    »Meine Berechnungen deuten alle darauf hin, dass Hoch-Safran durchströmt ist von musikalischer Energie, die alle siebenunddreißig Tage mit dem Kugelblitzzyklus ihren Höhepunkt erreicht.«
    Ich sagte ihr, das sei alles sehr faszinierend, aber ich hätte bereits viel um die Ohren; sie hatte Verständnis, umarmte mich zum Schluss lange, sagte, ich solle nicht als Toter zurückkommen und ging.
    »Tommo hatte recht«, sagte mein Vater, als er von der Arbeit kam. »Die von der Malves schwimmen regelrecht in Geld. Wir haben zehn Riesen für dich rausgeschlagen, zwei als Vorauszahlung.«
    Allmählich hatte ich mich daran gewöhnt, als Gebrauchsgegenstand behandelt zu werden.
    »Im Voraus?«, fragte ich. »Wofür?«
    »Tommo ist ein

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