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Grau - ein Eddie Russett-Roman

Grau - ein Eddie Russett-Roman

Titel: Grau - ein Eddie Russett-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eichborn-Verlag
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Fall zum körperlichen Vergnügen.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte ich sarkastisch. »Wo kämen wir denn da hin?«
    »Hör auf zu reden, Eddie, und tu das, was ich dir sage. Es ist nicht gerade der richtige Zeitpunkt und der passende Ort für unseren ersten Streit.«
    »Ich finde … «
    » Hör auf zu reden , hab ich gesagt.«
    Offenbar bestand ich die Musterung. Das heißt, »an deiner Technik müssen wir noch arbeiten«, wie sich Violetta ausdrückte. Jedenfalls hatten wir in knapp zehn Minuten und mit einem minimalen Redeaufwand – hauptsächlich Kommandos von Violetta – eine fünfhundert Meriten schwere Straftat begangen. Für mich war es das erste Mal. Violetta schlüpfte anschließend sofort wieder in ihre Kleider, gab mir einen Kuss auf die Stirn und sagte mir, sie werde ihren Eltern melden, dass alles in Ordnung sei. Dann drückte sie das Schiebefenster hoch und kletterte hinunter auf die Veranda, von wo aus sie erstaunlich behände auf die Straße sprang.
    Ich sah zur Decke, regungslos, doch meine Gedanken wirbelten durcheinander. Es war angenehm gewesen, für den Moment, aber tief in mir hatte ich das bleierne Gefühl, einen Verrat begangen zu haben. Nicht etwa an mir oder dem strikten moralischen Code des Kollektivs, sondern an Jane.

Aufbruch
    2.3.06.56.067: Der Verbrauch von 2500 Mcal pro Tag darf nicht überschritten werden.
    Ich stand auf, nahm ein Bad, das so heiß war, dass ich es gerade noch aushalten konnte, und kleidete mich rasch in meine Abenteuer-Outdoorkleidung Nr. 9. Siegelring, Farbkennzeichen und Meritenbuch legte ich zu den Briefen in der obersten Schublade, dann stapfte ich leise die noch düstere Treppe hinunter. Unten tastete ich nach meinen Wanderstiefeln, schnallte mir meine Gamaschen um und setzte den Rucksack auf, den ich am Abend zuvor gepackt hatte. An der Haustür wartete mein Vater auf mich, und obwohl wir normalerweise nicht zu denen gehörten, die sich bei Begrüßungen oder Abschieden umarmten, heute taten wir es. Denn trotz seiner optimistischen Stimmung gestern Abend – heute Morgen verhielt sich mein Vater wie ein Mann, der wusste, dass er seinen Sohn nicht wiedersehen würde.
    Das Dorf lag still und verschlafen da. Im Sommer war die Morgendämmerung nicht erfüllt von der frenetischen Aktivität, die im Winter zu dieser Zeit herrschte. Vor der nächsten halben Stunde, mindestens, würde niemand aufstehen, und dann auch nur der Bäcker, die Postmeisterin und der Maulwurffänger. Ich schlug den Weg zur Statue des Großen Munsell ein, wo ich auf Carlos Fandango und seinen Ford warten sollte. Es dauerte nicht lange, da kam eine zerzauste Gestalt um die Ecke am Rathaus gelaufen. Anscheinend band sie sich noch im Laufen die Schnürbänder zu, was ein beeindruckendes Bild bot. Es war Tommo, und ich schaute argwöhnisch, nicht nur, weil es Tommo war, sondern weil er das Gleiche anhatte wie ich – Abenteuer-Outdoorkleidung Nr. 9.
    »Hallo, Ed!«, sagte er voll untypisch fröhlichen Tatendrangs. »Bereit für den großen Tag? Guten Morgen, Courtland.«
    Ich drehte mich um. Hinter mir stand Courtland, und auch er war wie für ein Abenteuer gekleidet. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Wenn es einen Menschen im Dorf gab, der nicht nach Hoch-Safran geschickt werden durfte, dann war es Courtland.
    »Planänderung«, verkündete er. »Tommo und ich kommen mit.«
    »Weiß Amaranth davon?«
    »Noch nicht.«
    »Wenn der Rat herausfindet, dass du dich freiwillig gemeldet hast, wird er ganz schön wütend sein«, gab ich misstrauisch zu bedenken. »Woher der Sinneswandel?«
    »Die Schwefels haben gerade ein Imageproblem, und wenn ich Gelber Präfekt werden will, muss ich an Glaubwürdigkeit gewinnen. Außerdem kann ich das Geld gut gebrauchen.«
    Er sah mich scharf an.
    »Man kann ja nie wissen, was noch so für Strafen auf einen zukommen. Guten Morgen, Violetta.«
    Tatsächlich, Violetta war soeben erschienen. Sie lächelte mich schüchtern an und drückte meinen Arm. Ich spürte, wie ich rot anlief, und war sehr froh, dass die anderen es nicht sehen konnten. Wenn es ein Fehler war, Courtland mit auf die Exkursion zu nehmen, dann wäre Violetta eine Katastrophe und eine schwere Bürde obendrein. Sollte der Tochter des Oberpräfekten auch nur das Geringste zustoßen, würden wir jede hart verdiente Merite auf der Stelle wieder verlieren. Niederfarbwertige hatten die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die mit den höchsten Farbwerten nicht zu Schaden kamen.
    »Das ist doch vollkommen

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