Graue Schatten
mit dem Sonnenweiß-Stift zu tun habe.
Der Hauptkommissar erzählte dem Arzt, dass Kovalev, am Abend, bevor nachts Frau Sausele ermordet wurde, im Pflegeheim gesehen worden war, dass Frau Richter ihm aber für diese Zeit ein Alibi gegeben hatte, und dass sich das Paar vor wenigen Minuten durch Flucht einer Befragung entziehen wollte.
Dr. Hansen war nun sichtlich schockiert. Frau Richter sollte vor der Polizei geflüchtet sein? Und der Herr Kovalev, der hatte doch einen sehr seriösen Eindruck gemacht. Mit dem furchtbaren Mord an Frau Sausele hatten er und Bettina Richter doch sicher nichts zu tun, oder? Frau Sauseles Sohn hatte sich ja noch bei der Feier am Samstagabend mit dem jungen Mann unterhalten und sich nachher sehr lobend über ihn geäußert.
Und was hatte Frieder Sausele so über den Ukrainer erzählt? Nicht viel. Ein paar anerkennende Worte eines alten Hasen für einen Jungunternehmer, der, so Frieder, die Ärmel hochkrempelte und etwas auf die Beine stellte, so wie er es selber auch getan hatte.
Der Hauptkommissar fragte Hansen nun, ob er nichts davon mitbekommen habe, dass seine Sprechstundenhilfe etwas mit dem Koch hatte? Es sei bekannt, dass sich die beiden bei Hansens Feier wiedergetroffen und intensiv miteinander beschäftigt hatten.
Es seien sehr viele Gäste da gewesen, entgegnete Hansen. Viele Freunde von ihm, auch Geschäftskollegen, überhaupt eine Menge Leute die er lange nicht gesehen habe. Da habe er, weiß Gott, anderes zu tun gehabt, als Frau Richter zu beobachten.
Die Beamten hatten keine weiteren Fragen. Strobe bedankte sich freundlich und sie gingen.
Auf der Lauffener Polizeiwache waren inzwischen die Personalien von Andrej Kovalev und Bettina Richter aufgenommen worden. Die zwei warteten in getrennten Zimmern auf die Vernehmung. Als Strobe den Raum betrat, in dem Andrej Kovalev saß, begann der sofort wieder zu protestieren und einen Anwalt zu fordern. Er erklärte noch einmal lautstark, dass sie nur spazieren gehen wollten. Außerdem müsse er noch arbeiten.
Strobe erklärte ruhig, dass er und seine Freundin eindeutig hätten flüchten wollen und er außerdem einen Polizisten tätlich angriffen habe. Davon abgesehen, dass dies eine strafbare Handlung sei, habe er sich damit weiter verdächtig gemacht.
„Was verdächtig?“ Strobes Ruhe schien Andrej noch wütender zu machen.
„Sie waren dabei, sich einer Befragung zu entziehen und damit die Aufklärung eines Mordes zu behindern.“
„Was Mordes?“ Kovalev wurde noch lauter. Mit starkem Akzent und in wirren Sätzen schimpfte er, dass er nichts behindere, immer seine Steuern bezahlt hätte, bei rot immer an der Ampel stehen bleibe, und überhaupt nicht verstehe, was die Polizei von ihm wolle.
Der Hauptkommissar erwiderte immer noch ruhig, aber nicht mehr so leise, dass sie hier weder eine Finanzbehörde, noch bei der Verkehrspolizei seien. Er fragte ihn, ob er nichts von den Todesfällen im Sonnenweiß-Stift gehört habe. Kovalev erwiderte, er wisse nicht, was das mit ihm zu tun haben sollte. Worauf Strobe nun direkt fragte, was er am Sonntag, dem dreizehnten November diesen Jahres, gegen siebzehn Uhr im Albert-Sonnenweiß-Stift gemacht habe.
Kovalev schaute ihn einen Moment lang erstaunt an. Es sah so aus, als wäre er tatsächlich überrascht, dass dies jemand wusste. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck innerhalb von einer Sekunde mehrmals. Strobe bemerkte, dass dem jungen Mann etwas einfiel und ihn dies anscheinend erschreckte oder ärgerte. Sofort darauf verhärtete sich seine Miene. Er behauptete tonlos, er sei nie im Sonnenweiß-Stift gewesen, und vergrub dann das Gesicht in seinen Händen.
Also gut, dachte Strobe. Der Mann hat etwas damit zu tun, das ist klar wie saurer Sprudel. „Sie sind von mehreren Personen gesehen worden!“, bohrte er weiter. „Und die könnten das jederzeit bezeugen.“
Kovalev wiederholte nur monoton, er sei nicht dort gewesen und er wolle einen Anwalt.
Strobe sagte zu dem Polizeimeister, der mit im Raum saß, dass er Kovalev doch bitte telefonieren lassen und ihm falls nötig die Gelben Seiten geben solle. Dann ging er ins Nachbarzimmer zu Schell, der dort Bettina Richter vernahm. Sie saß ihm mit verheulten Augen gegenüber, hatte sich aber inzwischen wohl etwas beruhigt. Als Strobe den Raum betrat, brach sie einen begonnenen Satz ab und schaute ihn unsicher an.
„Erzählen Sie weiter, Frau Richter“, forderte sie Schell auf.
Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: „Am
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